„Gelungene Konzerte sind so beglückend wie guter Sex“, sagte Neneh Cherry vor neun Monaten in der „Zeit“, und es gibt sicher schlechtere Gründe, um nach langer Zeit wieder zurück auf die Bühne zu kommen. Vor einer Woche trat die schwedische Sängerin und Rapperin beim Glastonbury Festival auf, diesen unfassbar gigantischen Pop-Strudel mit 200.000 Besuchern. Dort zeigte Cherry wie auch im November 2018 bei „Überjazz“ auf Kampnagel, dass sie immer noch in ihrer eigenen Liga spielt. An diesem Sonnabend kommt sie mit ihrer Band ins Gruenspan. Das Konzert wurde aus der Großen Freiheit 36 ein paar Meter weiter in die Hausnummer 58 verlegt, bereits gekaufte Karten bleiben gültig.

Eine Frau mit Haltung, musikalisch und lyrisch ohne Berührungsängste, so erschien die 1964 als Neneh Marianne Karlsson in Stockholm geborene Stieftochter des US-Jassmusikers Don Cherry vor 30 Jahren mit dem Album „Raw Like Sushi“ aus dem Nichts im Rampenlicht: Top Ten in Großbritannien, Deutschland, Schweden, Neuseeland, Schweiz und Österreich. Kritiker waren sich unsicher, ob sie Cherrys Kunst Dance-Pop, Funk oder New Jack Swing nennen sollten, die beiden dynamisch pumpenden Hits „Buffalo Stance“ und „Manchild“ wurden jedenfalls aus dem Stand zu Klassikern.

Tanzbare Zeitkritik, das war mal was in den hedonistischen 80ern. Seit dem 14. Lebensjahr lebte Neneh Cherry in England, entdeckte dort ihr Herz für Punkrock und protestierte bereits mit ihrem ersten Lied „Stop The War“ 1982 gegen den Falkland-Krieg. Auch ihr Welthit „7 Seconds“ von 1994, ein Duett mit dem senegalesischen Weltmusik-Star Youssou N’Dour, folgt ihren Idealen. Es beschreibt die ersten Sekunden in einem Leben eines Menschen, noch unschuldig und unberührt von den Problemen der Welt.

Zu ihrer Haltung gehörte auch, sich nach dem dritten Album „Man“ 1996 für 12 Jahre weitgehend aus dem Musikgeschäft zurück zu ziehen, um sich ihren mittlerweile drei Kindern zu widmen. Das Talent der Cherry-Musikerfamilie mit Nenehs Halbbruder Eagle-Eye Cherry und Stiefschwester Titiyo wurde an die nächste Generation weiter gegeben. Nenehs jüngste Tochter Mabel wurde im Januar 2019 mit ihrem Hit „Don’t Call Me Up“ weltweit bekannt.

Die Kinder wurden flügge, also ging es auch für Neneh 2014 wieder ins Studio für „Blank Project“ und 2018 folgte „Broken Politics“. Kritisch und innovativ, stilistisch zwischen Pop, Hip-Hop und Trip-Hop angesiedelt, ist Neneh Cherry so zeitlos wie aktuell geblieben.

Neneh Cherry, Sa 6.7., 19 Uhr, verlegt aus der Großen Freiheit 36 ins Gruenspan (S Reeperbahn), Große Freiheit 58, Eintritt 40 Euro (Abendkasse)