„Schon wieder?“ und „Noch einer?“ sind häufige Reaktionen auf die Startmeldung von „Spider-Man: Far From Home“. Tatsächlich gab es im März schon „Captain Marvel“, im April dann „Avengers: Endgame“, um nur die Comic-Filme aufzuzählen, die zum engeren Marvel-Universum gehören. Da fällt es leicht, von vornherein die Haltung des übersättigten Konsumenten einzunehmen.

Wobei man gleichzeitig die Hartnäckigkeit bewundern muss, mit der die Marvel-Maschine einfach weitermacht. Sind sie so verliebt in ihre eigene Produkte, dass sie denken, sie könnten nichts mehr falsch machen? Oder ist es der blanke Geldmacher-Zynismus, im Sinne von: In Hollywood ist noch niemand daran pleitegegangen, das Publikumsbedürfnis nach neuen Ideen unterschätzt zu haben.

Das ist denn auch die erste und dabei völlig spoilerfreie Beobachtung in Sachen „Spider-Man: Far From Home“: So gut wie nichts daran ist wirklich neu. Und das ist gewollt. Der serielle Charakter dieses ersten Films nach dem „Endgame“ wird gleich in den ersten fünf Minuten noch betont. Da gibt es eine Videoclip-Hommage an die im Kampf gegen Thanos und sein die Hälfte der Menschheit auslöschendes Fingerschnalzen gefallenen Superhelden.

Zuerst ist man froh über die zeitliche Orientierung, die man dadurch bekommt – ja, dieser Film spielt tatsächlich nach den Ereignissen von „Endgame“ –, dann ist man irritiert über die plumpe Musikauswahl und das Amateurhafte der Montage, erst dann begreift man, dass dies eine „Film im Film“-Situation ist. Als Autoren der Video-Clip-Hommage treten die Mitschüler von Spider-Man alias Peter Parker in Erscheinung. Die Perfektion, mit der hier der typische Werk-Charakter solcher aus Internet-Fundstücken zusammengeflickten Webvideos erfasst wird, ringt dem Zuschauer erste Bewunderung ab.

Man fühlt sich fast wohlig im Mix aus Selbstironie und Superhelden-Pathos

Und wenn dann noch Peter Parker (Tom Holland) in einem verträumt-fiebrigen Verbalausbruch seinem besten Freund Ned (Jacob Batalon) den Plan offenbart, wie er die bevorstehende Klassenfahrt nach Europa dafür nutzen will, um endlich MJ (Zendaya) seine Gefühle zu gestehen – dann fühlt man sich wieder fast wohlig aufgehoben in diesem Universum und seinem gelungenen Mix aus Selbstironie und Superhelden-Pathos, aus gekonntem Filmemachen und Fantasy-Unsinn.

Bewundernswert auch, wie wenig Handlung mittlerweile ausreicht, um einen Superhelden-Film zu füllen. Zwar gibt es mit Jake Gyllenhaals Mysterio eine neue Figur, aber so weit die Strecke ist, die Peter Parker und seine Schulfreunde diesmal auf ihrer Europa-Schulexkursion zurücklegen, so wenig von Belang ist das, was sich währenddessen ereignet.

Die Chance, aus den Widersprüchen des „Endgame“-Plots neue Konflikte zu entwickeln, schließlich ist die Hälfte der Menschheit zuerst verschwunden und dann nach fünf Jahren wieder unverändert aufgetaucht, lässt „Far From Home“ bis auf ein paar Gags ungenutzt verstreichen. Stattdessen tut sich Parker wieder mal schwer mit der Verantwortung, die das Superhelden-Dasein so mit sich bringt. Trotzdem müssen natürlich Monster erledigt werden. Nick Fury (Samuel L. Jackson) und Maria Hill (Cobie Smulders) tauschen deshalb besorgte Blicke, und Peters Klassenlehrer Mr. Harrington (Martin Starr) liefert Pointen durch gelehrsame Ahnungslosigkeit.

Es ist alles fast ein wenig zu drollig. Und je länger es dauert, desto mehr fallen doch auch die weniger gekonnten Aspekte ins Auge. Etwa die recht einfallslosen Action-Sequenzen mit einer von bösen Mächten kontrollierten Drohnenarmee, die mit ihren real-weltlichen Assoziationen eher unfreiwillig unheimlich wirkt. Oder das gefühlt endlose Hin und Her zwischen einem im Romantischen ausgesprochen unsicher agierenden Parker und seiner MJ, die vom Drehbuch kaum Chancen bekommt, wirklichen Charakter zu zeigen. Das folgenreichste Ereignis findet diesmal übrigens im Abspann statt, aber ob es sich lohnt, dafür sitzen zu bleiben? Der nächste „Spider-Man“-Film kommt so oder so.