Katharina Wackernagel kennt man als Kommissarin Nina Petersen aus der Krimi-Reihe „Stralsund“. Viel Lob bekam sie auch für ihre Titelrolle als Selfmade-Frau in „Aenne Burda“. In den Kammerspielen konnte man sie zuletzt im Januar beim Stück „Westend“ auf der Bühne sehen. Aber die 40-Jährige hat noch eine weitere Leidenschaft: das Filmemachen hinter der Kamera. Zusammen mit ihrem Bruder Jonas Grosch, der das Drehbuch schrieb, liefert sie jetzt ihr Regiedebüt ab. „Wenn Fliegen träumen“ ist ein skurril-poetischer Film, ein „wodkastarkes Roadmovie“ wie ein Kritiker schrieb. Heute stellen beide Geschwister es im Abaton vor.

Anruf bei Katharina Wackernagel in Mexico City. Die Jung-Regisseurin stand dort bis vor ein paar Tagen für den zweiten Teil des ARD-Thrillers „Meister des Todes“ vor der Kamera. Den Film mit ihrem Bruder hat sie ohne Senderbeteiligung und Filmförderung auf die Beine gestellt. Da braucht man starke Nerven und Durchhaltevermögen. Ist Wackernagel anders als die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person? „Als ich sieben Jahre alt war, hatte ich ,Manche mögen’s heiß‘ schon fünf Mal gesehen. Als Erwachsene habe ich gemerkt, dass ich mit dem kommerziellen Kino nicht so viel anfangen kann. Da waren mein Bruder Jonas und ich immer auf der Suche nach Independent-Produktionen, egal aus welchem Land. Wir haben da einen sehr ähnlichen Humor.“ Meine Außenwahrnehmung im deutschen Fernsehen und meine Leidenschaft für das Independent Kino beißen sich hin und wieder. Ich wähle Rollen sorgfältig aus, und sage gegebenenfalls: Den Krimi muss man nicht noch mal erzählen, den hat es schon hundert Mal gegeben.

Ist sie vielleicht eine bisher unerkannte Geschichtenerzählerin? „Nein, das ist mein Bruder. Ich bin eher eine Figurenerzählerin, denn ich kann mich gut in Charaktere hineinversetzen. Das macht mir auch am meisten Spaß.“ Den gönnt sie sich in ihrem Film auch in einer Nebenrolle. Trotz der Nähe zu ihrem Bruder war sie sich bei den Dreharbeiten nicht immer mit ihm einig. Manchmal wurde es am Set deswegen richtig laut. „Eine gute Zusammenarbeit muss ja auch nicht absolute Harmonie bedeuten. Es gibt bei uns keine Tabuthemen, und wir können uns selbstverständlich streiten, weil wir wissen: Der Andere lässt mich nicht im Stich. Auch das Team hat das positiv wahrgenommen.“ Ihre Schauspielerkollegen sollen ein bisschen gemault haben, weil Wackernagel manchmal etwas streng mit ihnen umsprang. „Es muss einen Regisseur geben, der das letzte Wort hat“, stellt sie klar.

Der Verzicht einer Finanzierung von außen verschaffte den Geschwistern große Freiheit und Unabhängigkeit. Wackernagel sieht in diesem Punkt aber auch ein Manko in der deutschen Filmförderung. „Wenn man, um eine Kinoförderung zu bekommen, einen öffentlich-rechtlichen Sender mit an Bord haben muss, ist man sehr eingeschränkt. Da werden Entscheidungen auf ganz anderer Grundlage getroffen, und im Kino kann es ja nicht darum gehen, die höchste Quote zu erreichen.“

Aber auch bei TV-Produktionen könnte sie sich Verbesserungen vorstellen. „Der Stolperstein im deutschen Fernsehen ist die andauernde Suche nach dem größtmöglichen Nenner. Das steht auch immer für Kompromisse und Verwässerung. Bei meinem Film werden die Meinungen mit Sicherheit auseinandergehen, aber es ist mein Regiedebüt. Auch wenn ich Fehler gemacht habe, ist es das, was ich machen wollte: einen Film, in dem man etwas ausprobiert, Dinge auf den Kopf stellt, Genres mixt und Grenzen überschreitet.“

Der Film lief schon auf den Festivals in Saarbrücken und Hof. Das Publikum dort mochte ihn, die Kritiken waren allerdings gemischt. Wackernagel will unbedingt weitermachen und noch andere Filme inszenieren. Beim nächsten Mal würde sie die Schauspieler mehr improvisieren lassen, überlegt sie. Wenn man den Film sieht, in ihr schlummere eine gewisse Neigung zur Anarchie. „Da schlagen zwei Seelen in meiner Brust. Einerseits bin ich immer auf der Suche nach Klarheit und Ordnung. Zu viel Durcheinander macht mich nervös. Aber wenn etwas fest eingetaktet ist, drängt es mich, dort auszubrechen.“

„Wenn Fliegen träumen“ Di 25.6., 20.00, Abaton (Bus 4, 5), Allende-Platz 3, Karten 8,50/7,50; www.abaton.de