„Ich liebe meinen Körper, ich liebe meine Haut, ich bin eine Göttin, ich bin eine Königin“, sang Jessie J im Juni 2018 bei ihrem Hamburg-Debüt im Stadtpark. Nichts konnte ihr in diesem Moment etwas anhaben, nicht mal das miese Wetter, als sie ihre Mutmachhymne für alle Frauen sang, die Zweifel haben – an sich selbst, an der Welt, am Leben und Lieben. Aber so einfach war und ist es nicht für die Londoner Sängerin, die nicht nur für ihre vielen Fans als Whitney Houston einer neuen Generation zählt.

„Du musst deine Wunden öffnen, um die anderer Menschen zu heilen, und du hast oft nicht die Zeit, um deine eigenen zu heilen“, sagte Jessie J vor zwei Jahren dem „Billboard“-Magazin. Und Wunden an Körper und Seele hat die 1988 in London geborene Engländerin immer wieder hinnehmen müssen. Ein angeborener Herzfehler sorgt für ein dauerhaftes Schlaganfall-Risiko, dazu kamen in den vergangenen Jahren weitere Diagnosen, über die sie nicht spricht.

Immer wieder machte die Gesundheit Striche durch die Karriereplanung, und so begann sie mit 18 trotz ihres Gesangstalentes zuerst als Songschreiberin für andere Künstler, zum Beispiel überließ sie Miley Cyrus 2009 „Party In The U.S.A.“ und Chris Brown „I Need This“. „Do It Like A Dude“, ursprünglich für Rihanna gedacht, wurde dann 2010 zur ersten Single von Jessie J – und zu ihrem ersten Hit in Großbritannien. Drei Monate später ging ihr nächster Song „Price Tag“ bereits um die Welt, und das Debütalbum „Who You Are“ wurde 2011 zum Millionenseller. Jessie J war 23 Jahre alt.

Das Leben als Popstar erfordert von Jessie J enorme Disziplin

Ruhm und Rummel, Tourneen und PR-Termine, Show-Auftritte in der Jury von „The Voice UK“ und ein generell nur schwer selbst zu bestimmendes Leben sind für jeden Popstar Chance, Bürde und Herausforderung zugleich. Jessie J muss aber schon aus reinem Selbstschutz noch mehr Disziplin aufbringen. Immer wieder waren die Produzenten ihrer Folgealben „Alive“ (2013) und „Sweet Talker“ (2014) erstaunt, wie konzentriert und auf den Punkt sie ihre Lieder einsang. Wo andere Wochen damit verbringen, den perfekten Ton zu treffen oder zu Auto-Tune zu greifen, ist bei Jessie J alles schnell im Kasten. Vielleicht waren ihr zweites und drittes Album daher auch zu herkömmlich und unpersönlich, wie Kritiker bemängelten.

Jessie J gab selber zu, dass ihr diese Platten keinen Spaß machten, und begegnete dem 2018 mit „R.O.S.E.“, einem thematisch vierteiligen Album über die Themen „Realisations, Obsessions, Sex, Empowerment“, Erkenntnisse, Obsessionen, Sex, Ermächtigung. Vier Komplexe, die sie in den vier Jahren seit „Sweet Talker“ begleitet, bedrückt und berührt haben und die in einer Art Selbsttherapie in urbanen R’n’B, Dance- und Soulpop verwandelt wurden. Geöffnete Wunden, um auch die von anderen zu heilen. Und sei es durch Tanzen und Mitsingen im Mehr! Theater.

Jessie J Do 18.4., 20.00, Mehr! Theater am Großmarkt (Bus 3), Banksstraße 28, Karten ab 44,90 im Vorverkauf; www.jessiejofficial.com