In Deutschland wird gern darauf verwiesen, dass fußballerische Ereignisse zu gesellschaftspolitischen Wegmarken taugen. Dazu zählen der überraschende Gewinn der WM 1954 oder deren märchenhafte Ausrichtung im Sommer 2006. Eine fast vergessene Geschichte aus dieser Reihe erzählt nun das Sportlerdrama „Trautmann“, eine deutsch-britische Co-Produktion über die identitätsstiftende und versöhnende Kraft des Fußballs.

Es beginnt im Frühjahr 1945. Der junge deutsche Soldat Bert Trautmann (David Kross) gerät in britische Kriegsgefangenschaft. Eher aus der Distanz beobachtet der unpolitische, blonde junge Mann, wie sich im Lager unter den Gefangenen überzeugte Nazis und deren Feinde gegenüberstehen. Schließlich werden alle mit Aufklärungsfilmen über die Befreiungen der Vernichtungslager konfrontiert, was die Gefangenen unversehens auf Fragen nach ihrer persönlichen Schuld und Verstrickung zurückwirft.

Bis hierhin, und das ist ausdrücklich zu würdigen, erzählt „Trautmann“ von einer Erfahrungswelt, die im deutschen Film kaum vorkommt, die sich höchstens in Heimkehrerdramen in der Haltung und den Gesichtern jener abzeichnet, die versuchen, im Nachkriegsdeutschland ins Leben zurückzufinden.

Bert Trautmann ist in England geblieben. Von dem Moment an, da ihn der Lebensmittelhändler Jack (John Henshaw) als Torwart beim Feierabend-Kick im Lager beobachtet, entwickelt sich der Film fast zu einer romantischen Komödie. Jack trainiert die lokale Fußballmannschaft. Unter dem Vorwand, Trautmann als Aushilfe in seinem Laden zu benötigen, holt er den talentierten „Kraut“ fast täglich aus dem Lager ab und bringt ihn zum Training. Nach einigem Zögern wird er in Jacks Team integriert und sichert ihm mit brillanten Paraden prompt den Klassenerhalt. Das erregt einerseits die Aufmerksamkeit des Talent-Scouts Jock Thomson (Gary Lewis). Andererseits zeigt sich Jacks Tochter Margaret (Freya Mavor) zunehmend von Trautmanns zurückhaltendem Charme angezogen.

Einen fast melodramatischen Weg schlägt der Film im letzten Drittel ein. Frisch verheiratet, unterzeichnet Bert seinen ersten Profivertrag und zieht nach Manchester. Dort sind die Fans von Manchester City alles andere als begeistert, dass ein ehemaliger Wehrmachtssoldat bei ihnen zwischen den Pfosten steht. Es kommt zu massiven Protesten und Anfeindungen, die einige Jahre und Schicksalsschläge später aber ins Gegenteil umschlagen. 1956 wird Trautmann sogar zu Englands Fußballer des Jahres gewählt.

Einmal mehr ist der bayerische Regisseur Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt ist länger tot“) hier mit viel Verstand, Fabulierlust und Liebe zum Detail ans Werk gegangen. Vom Krämerladen über die Kneipe bis zum Fußballstadion vermitteln die Kulissen ein erdiges, nostalgisches Zeitgefühl. David Kross überzeugt mit schauspielerischem Understatement und macht nachvollziehbar, wie ein traumatisierter Heimatloser die Chance ergreift, sich in einer neuen Umgebung gewissermaßen neu zu erfinden.

Und doch schleicht sich im Lauf der 120 Minuten, zumindest in der deutschen Synchronfassung, eine leichte Distanz zum Geschehen ein, das Gefühl, dass der hier mutig geschlagene Bogen vom Kriegsfilm über eine britische Working-Class-Komödie bis zum Melodram doch ein bisschen zu viel des Guten ist. Ein etwas ruhigerer Atem hätte der Geschichte von Bert Trautmann sicher besser getan.

„Trautmann“ D/GB 2018, 120 Min., ab 12 J., R: Marcus H. Rosenmüller, D: David Kross, Freya Mavor, John Henshaw, täglich im Astor, Blankeneser, Cinemaxx Dammtor, Koralle-Kino, Passage, Studio (OmU), UCI Mundsburg/ Othmarschen-Park; www.fox.de/trautmann