Es ist lange her, dass der Wilde Westen als Ideallandschaft für Pioniergeist und Freiheit und letztes Derivat für Männlichkeit stand. Neuere Ableger des Genres sind eher Antiwestern, die die Werte gehörig durch den Präriestaub ziehen und deren Pseudoromantik abklopfen.

Und es ist wohl kein Zufall, dass diese Werke nicht selten von Regisseuren aus dem Ausland stammen, die einen anderen, unverstellten, durchaus auch spöttischen Blick auf das Genre haben: wie der Schotte Johna MacLean mit seinem feinen Genre-Abgesang „Slow West“. Oder jetzt der Franzose Jacques Audiard („Der Prophet“) mit „The Sisters Brothers“, wofür er auf dem Filmfestival von Venedig als bester Regisseur ausgezeichnet wurde.

Von wegen „lonseome cowboy“, der still in den Sonnenuntergang reitet. Hier reitet der Westerner nicht ein-, sondern zweisam. Und auch nicht wortkarg . Nein, bei Audiard plappern sie in einem fort.

Die Titelfiguren dieses rabenschwarzen Films sind alles andere als Helden, nämlich Kopfgeldjäger, die für Geld alles tun. Ohne mit der Wimper zu zucken, räumen sie andere aus dem Weg, nicht nur mit dem Colt Mann gegen Mann, sondern auch aus dem Hinterhalt. Ritterlichkeit sieht anders aus. Dass die Brüder Schwestern heißen, stellt die aufgesetzte Männlichkeit zusätzlich infrage.

Für einen finsteren „Commodore“ aus der Stadt sollen sie im Jahr 1851 einen verweichlichten Chemiker mit dem Muppet-Namen Kermit (Riz Ahmed) aufspüren. Der hat einen Trick ersonnen, wie man beim eher glücklosen Goldschürfen doch Erfolg haben kann. Diesen Trick soll er den Brüdern unter Folter gestehen, bevor sie ihn dann töten. Ein Scout namens Jim Morris (Jake Gyllenhaal) ist bereits auf seine Spur angesetzt. Aber als der nichts mehr von sich hören lässt, ahnen die Brüder, dass er mit dem Chemiker eine eigene Chemie eingegangen ist. Und verfolgen sie nun beide.

So hat man Cowboys wirklich noch nie gesehen. Der eine Schwesternbruder, Charlie (Joaquin Phoenix), kotzt ständig in Kübel und fällt vor Trunkenheit vom Pferd. Der andere, Eli (John C. Reilly), staunt über die Errungenschaften der Moderne wie Wasserklosetts oder Zahnbürsten. Alles Anzeichen, dass die beiden der Zukunft nicht hinterherkommen.

Selten war die Prärie staubiger, selten der Humor schwärzer als in diesen Weiten, die in Spanien und Rumänien gedreht wurden. Zuletzt tischt uns Audiard das unheldischste Ende auf, das sich je ein Western getraut hat. Die behauptete Männlichkeit wird da untergraben.


„The Sisters Brothers“ Frankreich, Spanien u. a. 2018, 121 Min., ab 12 J., R: Jacques Audiard, D: John C. Reilly, Joaquin Phoenix, Jake Gyllenhaal, Riz Ahmed, Rebecca Root, Allison Tolman täglich im Abaton (OmU), UCI Othmarschen Park, Zeise (OmU); www.wildbunch-germany.de/movie/the-sisters-brothers