Man muss unweigerlich an einen Gefangenenaustausch denken. Nur dass hier zwei Prinzessinnen aufeinander zudefilieren, mit einem Tross von Höflingen hinter sich, in einem Schlösschen auf einer Insel, das symbolisch zwischen beiden Ländern liegt, was sich selbst in den zwei Teppichen niederschlägt, die den Raum zerteilen. Die Prinzessinnen verneigen sich voreinander, wechseln die Teppichseite, verneigen sich nochmals – und verlassen das Schloss mit dem Tross der anderen.

Nachdem Sonnenkönig Louis XIV. gestorben war und all seine näheren Anverwandten von Pocken und anderen Krankheiten dahingerafft waren, wurde sein Urenkel zu seinem Nachfolger bestimmt. Ein Coup? Nein, ein Kuhhandel Bis zu dessen Volljährigkeit übernahm dessen Vormund, der Herzog von Orléans, die Regentschaft. Und der arrangierte, um nach dem langwierigen und verlustreichen Erbfolgekrieg zwischen Frankreich und Spanien den fragilen Frieden zu zementieren, anno 1721, den damals elfjährigen Louis XV. mit der erst vierjährigen Infantin Spaniens, Maria Anna Victoria, zu vermählen. Als „Gegenleistung“ gab er seine eigene, zwölfjährige Tochter Louise Elisabeth dem 14-jährigen spanischen Thronfolger Don Luis zur Braut. Ein diplomatischer Coup, der sich doch eher wie ein Kuhhandel ausnimmt. Und gleich vier unschuldige Kinder zu Geiseln ihrer Dynastien, zu bloßen Schachfiguren der Geschichte degradiert.

Im Film „Ein königlicher Tausch“, der diese Geschichte erzählt, bringt es eine ältere Leidensgenossin einmal treffend auf den Punkt: „Wir sind nur Fleisch zum Verheiraten.“ Arrangierte Vermählungen innerhalb der Königshäuser waren immer eine gängige Praxis. Das in diesem Fall sehr junge Alter der Betroffenen erschreckt aber doch. Und macht das ganze Ausmaß dieses kalten, herzlosen, im Grunde zynischen Machtkalküls deutlich. Diese anhand von historischen Dokumenten, Korrespondenzen und Memoiren recherchierte Geschichte hat die französische Autorin Chantal Thomas in ihrem Roman „L’échange des princesses“ verdichtet. Und Marc Dugain, ein Filmemacher und Autor, der bislang nur eigene Romane verfilmte, hat diesen Stoff nun in einem prägnanten Historienfilm adaptiert. Die Aristokratie schafft sich ganz alleine ab. Prägnant, weil er dabei auf die Pomp- und Prunkszenen üblicher Kostümschinken konsequent verzichtet und das Drama stattdessen in betont intimem Rahmen und ganz nah bei den Kindern erzählt. Stattdessen sehen wir die traurigen jugendlichen Geiseln, immerzu abgeschirmt von Hofschranzen, die ihnen vorschreiben, was sie zu tun haben. Gefangene ihres edlen Geblüts in einem buchstäblich goldenen Käfig. Auch das einfache Volk bleibt dabei, bis auf eine einzige, markante Szene, gänzlich ausgespart. Die Aristokratie ist so degeneriert, dass sie schon selbst entscheidend den eigenen Untergang voranbringt. Wobei die vierjährige Maria Anna Victoria (Juliane Lepoureau) noch am tapfersten und würdevollsten die ihr zugedachte Rolle auszufüllen sucht und damit ganz Versailles bezaubert.

Dass Zwangsverheiratungen von Minderjährigen auch heute noch vielerorts traurige Realität sind, ist ein Tabuthema, das man allzu gern verdrängt. „Ein königlicher Tausch“ zeigt anschaulich, wie dabei Seelen gebrochen werden, bevor sie sich überhaupt entwickeln können.

„Ein königlicher Tausch“ Frankreich/Belgien 2017, 100 Min., o. A., R: Marc Dugain, D: Lambert Wilson, Olivier Gourmet, Anamaria Vartolomei, tägl. im Blankeneser, Passage; www.alamodefilm.de