Hamburg.

Nach einer Weile sind die Klänge nur noch schwer zu ertragen. Rockmusik, durchzogen von gedehnten Schreien und Klagelauten, ziehen den Blick des Besuchers in die Installation des Leipziger Künstlers Tilo Baumgärtel. Schwarz-weiße Figuren, die von einem darauf projizierten Film zum Leben erweckt werden. Der Ursprung dieser Arbeit, die aktuell in der Harvestehuder Galerie Schimming gezeigt wird, liegt auf der Bühne des Staatsschauspiels Dresden. Für das von Sebastian Hartmann inszenierte Theaterstück „Erniedrigte und Beleidigte“ nach dem Roman von Fjodor Dostojewski entwarf Baumgärtel das Bühnenbild.

Während der Aufführung kletterten die Schauspieler auf fünf Meter hohe Leitern, um in jeder Vorstellung eine riesige Leinwand mit Illustrationen des Künstlers schwarz-weiß zu überschreiben und zu übermalen. Ein performatives Kunstwerk, das an jedem Abend neu erschaffen wurde. In der Ausstellung „Nelly“ spielt jenes Bühnenbild mit dem darauf projizierten Film, der ebenfalls Teil der Dresdner Inszenierung war, die zentrale Rolle. Daneben werden in der Schau, die noch bis zum 24. März zu sehen ist, aktuelle mittel- und großformatige Leinwand- und Papierarbeiten von Tilo Baumgärtel gezeigt. Zum Teil stehen auch sie im Zusammenhang mit dem Theaterstück. So etwa das Ölgemälde „Probe“, das Menschen zeigt, die auf Leitern stehend eine Leinwand bemalen. Darauf aufgemalte Hände ohne Körper scheinen einen Ausschnitt des Films zu simulieren. In einer mystischen Welt verschwimmen Projektion und Wirklichkeit.

Die Rätselhaftigkeit zieht sich durch die Ausstellung. Surreale Wesen, mal mehr Mensch, mal mehr Tier, treffen in komplexen Landschaften auf Realität und Fiktion. Über allem liegt ein morbider Schleier. Neben der Farbwahl zeigt sich hier der Einfluss Neo Rauchs, mit dem sich Baumgärtel 15 Jahre lang die Atelierräume teilte, wohl am deutlichsten. Der 1972 geborene Tilo Baumgärtel gilt neben Rauch als einer der bedeutendsten Vertreter der Neuen Leipziger Schule, einer Strömung der modernen Malerei. Auch wenn bei Baumgärtel vieles rätselhaft bleibt, so schließt sich der Kreis beim Titel der Ausstellung wieder, der eine Brücke zum Theaterstück schlägt: Nelly ist eine Nebenfigur mit durchaus morbiden Zügen.