Hamburg.

Es gibt vieles, was sich Musiker erhoffen als Beweis, es geschafft zu haben: Eine Goldene Schallplatte gewinnen, eine große Konzerthalle füllen und von Jan Böhmermann in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ verarscht werden. So ließ es sich zum Beispiel Max Giesinger nicht nehmen, auf Böhmermanns „Fernsehen ist so 2017“-Tournee 2018 zusammen mit Böhmi „Menschen Leben Tanzen Welt“ zu singen, jenen Song, mit dem der ZDF-Satiriker Giesinger und dem deutschen Pop an sich den maximal fiesen Zerr­spiegel vorhielt.

Begleitet wurden Max und Jan vom Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld, noch so ein ironischer Verweis auf deutsches Pop-Kulturgut, speziell auf die Bigbands der ARD-Sendeanstalten wie der NDR Bigband oder der hr-Bigband, die in den 40er-Jahren als „Radio-Tanzorchester“ gegründet wurden. Diese von formidablen Musikern (Paul Kuhn! James Last! Horst Jankowski!) besetzten und geführten Ensembles begleiteten Radio- und TV-Shows in der goldenen Ära der öffentlich-rechtlichen Unterhaltung. Und auch wenn die Bigbands viele Jazz- und Pop-Karrieren prägten und heute endlich auch keine reinen Männerbünde mehr sind, so bleibt das Etikett der Spießigkeit, mit der Böhmermann so gern spielt.

Vor einem Jahr im Mehr! Theater bei der Hamburg-Premiere von Jan Böhmermann und dem Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld konnten die Kontraste nicht reicher sein. Auf der einen Seite ein hervorragend aufspielendes, 15-köpfiges Kölner Musiker-Kollektiv unter der Leitung von Lorenz Rhode und Albrecht Schrader, auf der anderen Seite Böhmermanns so gelungene wie biestige Zynismen Marke „Deutschland ist wieder im Reichstag zurück“, „Rainer Wendt (Du bist kein echter Polizist)“, „Be Deutsch!“ oder „Grab US By The Pussy“ oder „Ich bin zu dumm für RTL“. Schräg.

Der Nonsens-Pop feiert mit Jan Böhmermann fröhliche Urständ

Auch nicht fehlen durfte der in Deutschland seit Stefan Raabs Rückzug in Vergessenheit geratene Nonsens-Pop, den Blödeleien wie „Baby Got Laugengebäck“ oder „Ich hab Polizei“ wieder auferstehen lassen. Zwar erobern derartige Liedlacher nicht mehr die Charts wie einst „Kreuzberger Nächte“, „Du, die Wanne ist voll“, „Mein Gott Walter“, „Mief“ oder „Maschendrahtzaun“, im Netz geklickt und geteilt werden sie dafür umso mehr. Im Mehr! Theater war übrigens Olli Dittrich mit dabei, einst Hälfte von Die Doofen, der mit Jan eben jenes „Mief“ aus dem Jahr 1995 intonierte. Sing mich jetzt, auch wenn ich stinke.

Am 28. Januar wird die Halle beim nächsten Hamburg-Gastspiel des Rundfunk Tanzorchesters Ehrenfeld und ihrem Bandleader eine Nummer größer, dann geht es in die Sporthalle. Auch der hängt trotz einiger Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen der Mief vergangener Jahrzehnte an.

Wobei eigentlich das CCH der noch passendere Rahmen gewesen wäre, um zu diesem bunten Strauß Melodien zwischen James Lasts „Non Stop Dancing“-Sound, Justin-Timberlake-Pop und Gangsta-Rap zu schwelgen und zu schunkeln. Aber das CCH wird derzeit für 200 Millionen Euro saniert, das morsche Gestühl und die Netzhaut abätzenden Teppichmuster werden wohl Vergangenheit sein. „Blasserdünnerjunge macht sein Job“ also in der Sporthalle. Aber egal wo Jan Böhmermann auftritt, die Show stiehlt ihm keiner.

Jan Böhmermann und das Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld Mo 28.1., 20 Uhr, Sporthalle (U Lattenkamp), Krochmannstraße 55, Karten zu 50,90 Euro im Vorverkauf