Es blitzt und donnert am Nachthimmel über New York City. In einem Verlies starrt ein zottelbärtiger Mann ins Nichts. Er sieht aus wie ein mit Mehl bestäubter Rasputin. Man hat seine Zunge gespalten, damit er aufhört, seine Wärter mit manipulativer Rhetorik in ergebene Anhänger zu verwandeln. Nun steht ein Gefangenentransport bereit, und der kinoerprobte Zuschauer, den die finstere Szenerie bis dahin an den Batman-Film „Dark Knight“ erinnerte, kommt nicht umhin, nun an Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“ zu denken.

Diese Referenzen sollten Erziehungsberechtigte durchaus in Betracht ziehen, wenn sie planen, sich mit ihrem Nachwuchs „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ anzuschauen, den zweiten Teil der epischen Vorgeschichte von „Harry Potter“. Er hat eine Altersfreigabe ab zwölf Jahren. Laut Jugendschutzgesetz ist auch begleiteten Kindern ab sechs der Zutritt erlaubt – das ist nicht wirklich zu empfehlen.

Bei jenem unheimlichen Gefangenen handelt es sich um den Zauberer Gellert Grindelwald (Johnny Depp). Er gilt als Jugendliebe und Erzfeind von Albus Dumbledore (Jude Law), dem Leiter der Hogwarts-Schule für Zauberei. Am Ende des ersten Teils von „Phantastische Tierwesen“ wurde er von seinem Kollegen und Tierwesen-Forscher Newt Scamander (Eddie Redmayne) festgenommen. Nun ist Grindelwald wieder frei und will eine Armee von Magiern hinter sich versammeln, um seine Ideologie des „reinen Blutes“ umzusetzen und die Welt mit Krieg und Terror zu unterjochen.

Schwarze Banner über den Dächern von Paris

Nicht von ungefähr schreiben wir hier das Jahr 1927, in dem auch die Fotos entstanden, die Adolf Hitler beim Einstudieren seiner Reden zeigen. Im Vergleich dazu reißt sich Johnny Depp zwar auffällig am Riemen. Aber er bildet, durchaus überzeugend, das Klischee des nordischen Herrenmenschen ab. Ganzkörperlich blond und versteift, das Kinn arrogant gereckt oder den Blick drohend gesenkt, ruft er in einer Schlüsselszene seine Getreuen zu sich in einen bläulich lodernden Flammenkreis. Über den Dächern von Paris wehen schwarze Banner. Halb Trauerflor, halb Triumph-Beflaggung, lassen sie an expressionistische Bilderwelten des Weimarer Stummfilms genauso denken wie an das Pathos Marke Riefenstahl.

Newt Scamander und sein etwas tollpatschiger Muggel-Gefährte Jacob (Dan Fogler) setzen dagegen eine fast naive, von Abenteuerlust und Eigensinn geprägte Menschlichkeit. Mit ihren weiblichen Sidekicks, den Schwestern Tina (Kathe­rine Waterston) und Queenie Goldstein (Alison Sudol), machen sie sich auf die Suche nach Credence Barebone (Ezra Miller). Dieser hochbegabte, latent depressive Magier soll davon abgehalten werden, sich auf Grindelwalds Seite zu schlagen.

Was „Babylon Berlin“ als TV-Krimiserie macht, versucht „Grindelwalds Verbrechen“ mit Mitteln des Fantasy-Kinos: Man sucht im urbanen Europa der späten 20er-Jahre nach unmittelbaren Gründen für den Aufstieg des Nationalsozialismus.

Die Effekte und die so aufwendige wie geschmackssichere Ausstattung zwischen Jugendstil und Art déco sind über jeden Zweifel erhaben. Sie dürften den Film auch für jene zum Erlebnis machen, die sich mit all den Namen und Querverweisen aus dem Harry-Potter-Universums ein wenig überfordert fühlen.

„Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ GB/USA 2018, ab 12 Jahren, Regie: David Yates, Darsteller: Eddie Redmayne, Johnny Depp, Jude Law, Katherine Waterston, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Savoy (OF), UCIs Mundsburg/Othmarschen Park/Wandsbek;