Roadmovies sind nichts für den deutschen Film. Aus dem einfachen Grund, weil man Deutschland in nur einem Tag schon durchfahren hat. Deshalb müssen sich deutsche Roadmovies immerzu verfahren. Oder in der Provinz stecken bleiben. Oder aber man drosselt ihnen die Geschwindigkeit. Wie in „25 km/h“, wo der Filmtitel das Tempo bereits vorgibt.

Zwei Brüder beschließen, einen alten Jugendtraum doch noch zu realisieren: einmal durch ganz Deutschland fahren, vom heimatlichen Schwarzwald bis nach Rügen. Aber eben nicht bequem im Auto, sondern auf ihren alten Mofas, die noch immer im Schuppen des eben verblichenen Vaters rumstehen und verstauben.

Viele Jahre haben sich die beiden nicht mehr gesehen, seit Christian (Lars Eidinger) den väterlichen Hof verlassen hat. Georg (Bjarne Mädel) hat den Vater ganz allein gepflegt. Selbst zur Beerdigung kommt Christian zu spät, weshalb sich die Brüder gleich beim Wiedersehen und ganz buchstäblich in die Haare kriegen. Noch am Grab, vor der irritierten Trauergemeinde. Aber dann finden sie unter ihrer alten Tischtennisplatte auf dem Speicher den Plan ihrer Deutschlandtour. Und spontan beschließen die beiden, die sich über all die ­Jahre reichlich fremd geworden sind, erstmals etwas gemeinsam zu unternehmen. Und spontan loszufahren. Noch im Trauer­anzug. Und ohne Wechselkleidung.

„25 km/h“ ist „Easy Rider“ auf kleineren, wenn auch frisierten Maschinen. Und eine Hommage aufs Mofa. Vor allem aber ist es eine Kreuzung von Roadmovie und Buddy-Film. Ein „Road-Buddy“. Regisseur Markus Goller dreht immer solche Filme. „Friend­ship!“ (2010) etwa, in dem zwei Ossis sich nach dem Mauerfall auf eine Reise durch die USA machen, auf der Suche nach dem Vater des einen. Oder „Frau Ella“ (2013), in der ein junger Mann eine alte Frau kidnappt und sich mit ihr auf die Suche nach ihrer großen Liebe macht. Oder zuletzt „Simpel“, in dem ein junger Mann seinen geistig zurückgebliebenen kleinen Bruder entführt, weil der ins Heim soll, und sich mit ihm auf die Suche nach ihrem Vater macht. Stets geht es um junge Leute, die festgefahren sind und ausbrechen. Aber auch um die Auseinandersetzung mit einer älteren Generation.

Wie alle Roadmovies ist „25 km/h“ ein Stationendrama. In dem die ungleichen Brüder auf einem Weinfest zwei frustrierte Ehefrauen (Franka Potente und Alexandra Maria Lara) kennenlernen und halbnackt auf dem Mofa den Unwillen der örtlichen Polizei erregen. Oder bei einem Tischtennisspiel gegen einen wütigen Rocker (Wotan Wilke Möhring) ihre Mofas verlieren und dann wieder zurückklauen.

Die Brüder müssen weit fahren, um einzugestehen, wie nah sie sich sind

Eine Reise mit diversen Hindernissen, bei denen die Protagonisten vor allem zu sich selbst finden müssen. Georg, der glücklose Tischler in der Heimat, muss endlich den Mut finden, seiner Jugendliebe (Sandra Hüller) seine Gefühle zu gestehen. Christian, der erfolgreiche Manager im Ausland, muss sich endlich dem Sohn stellen, mit dem er einst seine Freundin (Jördis Triebel) hat sitzen lassen. Vor allem aber müssen die Brüder erst ganz weit wegfahren, um sich einzugestehen, wie nah sie sich doch sind.

Das sind mal herrlich überdrehte Momente, mal sehr berührende und dann auch wieder welche zum Fremdschämen. Zusammengehalten wird das bis in kleinste Rollen hochkarätig besetzte „Road-Buddy“ aber von Eidinger und Mädel. Ihnen glaubt man vom ersten Moment an, dass sie Brüder sein sollen. Aber es ist wohl Markus Gollers besonderes Talent, unterschiedliche Schauspieler so zusammenzubringen, dass da mehr als nur eine Chemie entsteht.

Wenn Eidinger, der Schaubühnen-Star, und Mädel, der „Tatortreiniger“, lässig auf ihren alten Klapperkisten knattern, wenn sie das Weinfest mit einem irrwitzigen Stepptanz rocken und immer wieder Tischtennis spielen, gegeneinander oder gegen andere, ist das auch schauspielerisch ein Ping-Pong-Spiel, dem man nur zu gern zuschaut. Da würde man am liebsten die Geschwindigkeit noch weiter drosseln, damit die beiden nicht zu schnell an der Ostsee ankommen mögen.

„25 km/h“ D 2018, 116 Minuten, ab 6 Jahren, Regie: Markus Goller, Darsteller: Lars Eidinger, Bjarne Mädel, Sandra Hüller, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor/Harburg, Elbe, Koralle, UCIs Mundsburg/Othmarschen Park/Wandsbek, Zeise