Das Londoner Hafenviertel Lime­house war Ende des 19. Jahrhunderts keine gute Adresse. Das Armenhaus der Stadt. Ein Rotlichtdistrikt voller Spelunken und Bordelle. Aber auch eine Hochburg der Music-Hall-Vergnügungstempel. In diesem viktorianischen Sündenpfuhl ist der spannend verzweigte Thriller „The Limehouse Golem“ angesiedelt.

Ein Serienmörder meuchelt im Jahr 1880 vorzugsweise in Limehouse ganze Familien, jüdische Gelehrte oder Prostituierte. In der Steinzeit der Forensik ist kein Muster auszumachen. Stets sind die Opfer aber grausam verstümmelt. Stets steht eine mit Blut geschriebene Botschaft an der Wand. Der Fall gilt als unlösbar. Und da sich Scotland Yard nicht blamieren will, wird der bereits aufs Abstellgleis verschobene Inspektor John Kildare (Bill Nighy) noch mal reaktiviert. Zur Schadensbegrenzung, falls kein Täter gefasst wird. Wovon alle ausgehen. Kildare ist der Sündenbock.

Doch Kildare, den Bill Nighy mit zurückhaltender Noblesse und neugieriger Betroffenheit verkörpert, verbeißt sich in den Fall. Der unerfahrene Polizist Flood (Daniel Mays) wird ihm zur Seite gestellt, um dem eiskalten Killer, dem Presse und Bevölkerung den Namen „Limehouse Golem“ verpassen, auf die Spur zu kommen.

Nach dem Hinweis, dass es eine Augenzeugin gebe, trifft Kildare auf die Music-Hall-Sängerin Elizabeth Cree (wunderbar gespielt von Olivia Cooke), die im Gefängnis auf ihre Hinrichtung wartet. Sie soll ihren Ehemann, den glücklosen Bühnenautor John Cree (Sam Reid), vergiftet haben, beteuert aber ihre Unschuld.

Düstere Unterhaltung mit unheimlichem Flair

Schon bald zählt der tote John Creed zum Kreis der Verdächtigen, dem auch reale Personen der Zeit wie Music-Hall-Legende Dan Leno (Douglas Booth), der Schriftsteller George Gissing (Morgan Watkins) und, höchst amüsant, auch der Philosoph Karl Marx (Henry Goodman) angehören.

Mitten im Limehouse District liegt die Palace Music Hall, an der Dan Leno, der gern und oft in Frauenkleidern auftrat, seine großen Erfolge feierte. In zahlreichen Rückblenden geht es um das Schicksal von Elizabeth Cree, die es in jungen Jahren an das Theater verschlagen hat und die dort mit höchst schlüpfrigen Liedern quasi über Nacht zum Star wird. Dass der Golem seit dem Tod ihres Mannes nicht mehr zuschlägt, lässt den ­Inspektor immer mehr an die Unschuld Lizzies und die Schuld ihres toten Ehemannes glauben.

In opulenten Bildern, grausamen Mordszenarien und grellen Music-Hall-Auftritten versucht Regisseur Juan Carlos Medina die vertrackte Geschichte auf verschiedenen Ebenen und über viele falsche Fährten zu erzählen. Das hat anfangs zwar einige Längen, nimmt aber immer mehr Tempo auf und zielt auf ein Finale, dem ausgebuffte Fährtenleser freilich ein wenig früh auf die Spur kommen könnten. Dennoch ist der „Limehouse Golem“ große, düstere Unterhaltung mit unheimlichem Flair und wunderbar schäbigem Zeitkolorit.

„The Limehouse Golem“ GB 2016, 105 Min., ab 16 J., R: Juan Carlos Medina, D: Bill Nighy, Olivia Cooke, Douglas Booth, täglich im UCI Wandsbek; www.moviepilot.de/movies/the-limehouse-golem