Wer zwischen den eng einander gegenüber gebauten, niedrigen Häuserzeilen steht, der fühlt sich zu groß und deshalb wie aus der Zeit gefallen. Das ist kein Wunder, denn die Kramer Amtswohnungen unweit des Michels wurden im Jahr 1676 erbaut. Wenn sie auch im Zuge wiederholter Restaurierungen andere Backsteine auf den Fassaden tragen, so sind es erstaunlicherweise noch immer die Original-Wohnungen. Brände, Kriege und Seuchen haben sie mehr oder weniger unbeschadet überstanden. So ist dieses pittoreske Ensemble heute das letzte erhaltene Beispiel für eine geschlossene Hofbebauung des 17. Jahrhunderts, die ältesten Wohnhäuser in der Hamburger Innenstadt.

Die Fachwerkhäuser mit den vielen Fenstern waren für zunächst 20 Witwen errichtet worden. Gebaut hatten sie die Hamburger Krämer und sogenannten Kolonialwarenhändler, von denen jeder einen festen Stand oder einen Laden betrieb und mit Gewürzen, Seide oder Eisenwaren handelte. Sie hatten sich im Krameramt zusammengeschlossen, und sie wollten damals mit den neuen Wohnungen die Frauen ihrer verstorbenen Amtskollegen gut versorgen, damit die begrenzten Verkaufsplätze wieder frei wurden. Die Organisation war zu jener Zeit recht wohlhabend, und was aus heutiger Sicht vielleicht eng und bescheiden wirkt, war damals gutbürgerlicher Luxus. Alle Wohnungen haben den gleichen Grundriss, zwei stehen sich gegenüber. Unten befand sich ein kleines Zimmer und die Küche.

Eine schmale Stiege führt in den ersten Stock, in dem die „Gute Stube“ mit einer Schlafnische eingerichtet wurde. Im Dachgeschoss befand sich eine Luke zum Hof, durch die sich jeder Haushalt mit Holz oder Torf zum Heizen versorgen konnte. Wasser wurde über zwei Pumpen in einen Eimer gepumpt und ins Haus geschleppt, denn erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Hamburg Wasserleitungen gebaut. Am Ende des Hofes stand eine Gemeinschaftstoilette.

Die Häuser wurden bis 1968 als Altenwohnungen genutzt. 1974 kam eine in die Obhut des Museums für Hamburgische Geschichte, das sie mit Möbeln des 19. Jahrhunderts einrichtete und zur Besichtigung öffnete.

Kramer -Witwen-Wohnungen Krayenkamp 10 (S Stadthausbrücke), bis Oktober Di-So 10.00-17.00 Eintritt 2,50/1,70