Mit Geld und der richtigen Strategie, so scheint es, lässt sich noch jede demokratische Entscheidung in die gewollten Bahnen lenken. Regisseur John Madden zeichnet in seinem dialogstarken Politthriller „Die Erfindung der Wahrheit“ das erschütternde Bild eines von Lobbyismus gesteuerten Washington D.C. am Beispiel der durchtriebenen und hochintelligenten Lobbyistin Elisabeth Sloane.

Miss Sloane lebt nur für ihre Karriere. Sie ist der Star der Lobby-Agentur Cole Kravitz & Waterman. Sie ist Single, putscht sich mit Tabletten auf, und das bisschen Sex kauft sie sich bei Callboys. Sie ist vom Erfolg besessen, eine Frau, die nur gewinnen kann, die immer noch eine Trumpfkarte in der Hinterhand hält, wenn ihre Gegner sich längst auf der Siegerspur sehen. Sie kann Politkarrieren mit einem Fingerschnippen zerstören. Jessica Chastain gibt dieser kühl kalkulierenden Strippenzieherin überwältigendes Format.

Der Film beginnt mit einer Anhörung vor einem Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Senator Ronald Sperling (John Lithgow). Miss Sloane soll unethisches Verhalten im Zuge ihrer Lobbyarbeit nachgewiesen werden. Sie verweigert mit Verweis auf den fünften Verfassungszusatz die Aussage. Bis Senator Sperling es tatsächlich schafft, sie aus der Reserve zu locken.

Drei Monate zuvor. Sloanes Firma soll für einen Waffenhersteller eine Kampagne gegen die sogenannte Heaton-Harris-Gesetzesvorlage, die schärfere Hintergrundchecks bei Waffenkäufern fordert, lostreten. Kanzleichef Dupont (Sam Waterston) will, dass Sloane die Kampagne leitet. Die aber stellt sich gegen die Waffenfabrikanten und macht sich für die Gegenseite stark. Mit nahezu ihrem gesamten Team wechselt sie zur Konkurrenzfirma Peterson Wyatt, nachdem sie deren Chef Rodolfo Schmidt (Mark Strong) von der Wichtigkeit der Heaton-Harris-Bill überzeugt hat. Nur ihre persönliche Assistentin Jane (Alison Pill) geht nicht mit und hält der alten Firma die Treue. Was einer der beiden Parteien zum Verhängnis werden wird.

Jeder auch noch so schmutzige Trick ist für Miss Sloane gut genug, um das Ziel zu erreichen. Der Zweck heiligt die Mittel. Da kommen auch schon mal mit Abhörsendern bestückte Kakerlaken zum Einsatz. Oder eine Kollegin wird schamlos für die eigenen Ziele ausgenutzt. Lobbyarbeit bedeute, so doziert Miss Sloane einmal, die Gegenseite zu überraschen und sich nicht überraschen zu lassen.

Und Regisseur John Madden („Best Exotic Marigold Hotel“) hält einige Überraschungen bereit. Er erzählt diesen hoch spannenden Thriller in einem klar strukturierten, an dem politisch engagierten US-Kino der 70er-Jahre orientierten Stil. Szenen aus dem Anhörungssaal wechseln mit Rückblenden. Er fokussiert dabei ganz auf die Geschichte mit all ihren neuen Wendungen und stellt seine Darsteller gezielt in den Mittelpunkt.

Allen voran Jessica Chastain, die ganz in dieser polarisierenden Miss Sloane aufgeht. „Die Erfindung der Wahrheit“ ist eine jener raren Filme, die aus einem nicht leicht zu durchschauenden Thema, wie es der Lobbyismus nun einmal ist, spannende Unterhaltung machen. Man mag über die Auflösung dieses fiesen Ränkespiels geteilter Meinung sein. Doch Drehbuchautor Jonathan Pereira hat mit dieser durchdachten und klug arrangierten Story eine erstklassige Vorlage für John Madden geliefert. Und für Chastain, die mit dieser Rolle als beste Hauptdarstellerin für einen Golden Globe nominiert war.

„Die Erfindung der Wahrheit“ USA 2016, 133 Min., ab 12 J., R: John Madden, D: Jessica Chastain, Mark Strong, Sam Waterston, täglich im Cinemaxx Dammtor, Holi, UCI Mundsburg, Zeise; www.die-erfindung-der-wahrheit-film.de