Ein Achter gleitet langsam auf das Flussufer zu. An der Anlegestelle sieht der zehn Jahre alte Halbwaise Michi (Luis Vorbach) der Rudermannschaft gespannt entgegen. Kein Wunder, einer von ihnen soll sein Vater sein. Er hat ihn nie zuvor gesehen, weiß von ihm nur den Vornamen: Tom.

Große, athletische Typen steigen aus dem Boot. Da ruft jemand „Tom“ – und der Steuermann (Jordan Prentice) antwortet, während er mühsam von Bord klettert. Tom ist kleinwüchsig, nicht größer als Michi. Der Junge rennt erst mal weg, ohne sich zu erkennen zu geben.

Schon diese eine Szene von „Auf Augenhöhe“, dem bemerkenswerten Langfilmdebüt des bayerischen Regieduos Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf, ist wunderbar auf den Punkt, mit starken Bildern, fast ohne Worte. Der Film nähert sich seinen Fragen auf Umwegen, zeigt Toms Alltag, beim Training im Fitnessstudio, beim Bier in der Kneipe. Im Heim zieht Michi erst Neid auf sich, weil er mit seinem neu entdeckten Vater angibt. Als Tom ihn dann tatsächlich besucht, erleben die beiden unter dem Wasserbombenhagel der hämischen Heimkinder ein wahres Martyrium.

Goldbrunner und Dollhopf entspannen hier ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht, was ihnen überzeugend gelingt, solange sie auf die Kraft der Bilder setzen, die der alte Fassbinder-Veteran Jürgen Jürges ganz konsequent auf der Augenhöhe seiner Protagonisten findet. Und der kanadische Schauspieler Jordan Prentice macht in Windeseile vergessen, dass er den Film als einziger auf Englisch gedreht hat und im Nachhinein synchronisiert wurde.

Leider gibt es auch immer wieder Szenen, die nicht so gut funktionieren, wo Michis Zerrissenheit so unglaubwürdig und konstruiert wirkt. Die fehlende Erfahrung der Regiedebütanten scheint dann doch durch. Letztlich bleiben das aber verzeihliche Schwächen eines ungewöhnlichen, sehenswerten Films.

„Auf Augenhöhe“ D 2016, 100 Min., ab 6 J., R: Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf, D: Jordan Prentice, Luis Vorbach, Anica Dobra, täglich im Abaton, Zeise; aufaugenhoehe-derfilm.de