Wenn es um die Übersetzung von Film­titeln geht, dann werden die deutschen Filmverleiher gern gescholten. Das könnte man auch hier tun, denn „Zeit für Legenden“ beschwört einen Heroismus herauf, den diese Geschichte kaum hergibt. Andererseits lässt sich der Originaltitel „Race“ in seiner Doppeldeutigkeit kaum übersetzen – ging es bei Jesse Owens Olympia-Teilnahme im Nazideutschland doch naturgemäß nicht nur um seine Qualitäten als Sprinter, sondern immer auch um seine Hautfarbe.

Regisseur Stephen Hopkins, der sich in den letzten Jahren mit „Californication“ (2007) und „House Of Lies“ ­(2012– 2014) auf Fernsehserien konzentriert hat, legt erkennbaren Wert darauf, auch den Alltagsrassismus in Owens’ Herkunftsland ins Bild zu setzen. Dass Owens nach seiner Rückkehr die Atmosphäre in Deutschland sogar lobte und die Rassentrennung in den USA für schlimmer erklärte – diese traurige Fehleinschätzung, diesen Triumph der NS-Propaganda in der Zeit der Spiele enthält uns der Film leider vor.

Doch er macht auch ein paar Dinge richtig, auch wenn er sich bildsprachlich und vor allem filmmusikalisch immer ängstlich entlang gut ausgeflaggter Pisten bewegt. Interessanterweise haben seine amerikanischen Kritiker dem Film vorgeworfen, er halte sich zu lange mit den Verhandlungen auf, die die US-Olympiafunktionäre untereinander und mit den Deutschen geführt haben. Aus deutscher Perspektive gehören diese Szenen, in denen die Zerrissenheit der amerikanischen Seite deutlich wird, gerade zu den spannendsten.

Sollte man aufgrund der offensichtlichen Diskriminierung bestimmter Menschengruppen in der Nazi-Diktatur die Spiele gleich ganz boykottieren, wie es Jeremiah Mahoney (William Hurt) wollte? Oder war der Kurs des Appeasement ratsam, wie ihn der Chef des Nationalen Olympischen Komitees, Avery Brundage (Jeremy Irons), forderte?

Abseits der Haupthandlung liefern sich hier zwei Ausnahmeschauspieler ein sehenswertes Duell – schade nur, dass ihnen auf der deutschen Seite mit Barnaby Metschurat ein Propagandaminister gegenüber steht, dessen Kälte oft aufgesetzt wirkt und mit der verlogenen Leutseligkeit des historischen Vorbilds nichts gemein hat.

Wir sehen also die oft erzählte Geschichte von Jesse Owens, der unter den Augen Adolf Hitlers vier olympische Goldmedaillen nach Hause trug. Und darin liegt dann auch das dramaturgische Problem dieses Films, das er mit vielen Biopics der letzten Jahre teilt: Der Ausgang ist bekannt, und der Verlauf dieses Lebens fügt sich nicht immer den Spannungsbedürfnissen des Publikums.

Immerhin hat Stephen Hopkins mit Dreharbeiten im Olympiastadion einiges an den vielzitierten „Schauwerten“ geschaffen, die einen solchen Mangel nicht ausgleichen, aber doch abmildern können. Die Sandbahnen, die voll besetzten Ränge, der Pomp der nationalsozialistischen Inszenierung: Wer das heutige Olympiastadion kennt, wird verblüfft sein über die Gegenwart des Vergangenen, die der Regisseur heraufbeschwören kann. Hopkins hat übrigens mit Stephan James eine gute Besetzung für die Hauptrolle gefunden. James trainierte sich den eigenwilligen Laufstil der damaligen Zeit mühevoll an, es wirkt authentisch.

Auch David Kross als Carl Luz Long, sein Widerpart im Weitsprung, hat erkennbar Spaß an der Arbeit. Und doch bleibt es ein über weite Strecken konventioneller Film, leicht verdaulich und ohne große Nachwirkungen.

„Zeit für Legenden“ CDN/D/F 2016, 118 Min., o. A., R: Stephen Hopkins, D: Stephan James, Jeremy Irons, Carice van Houten, David Kross, William Hurt, Barnaby Metschurat, täglich im Passage, UCI Mundsburg/Othmarschen; www.zeit-für-legenden.de