Sie ist perfekt geschminkt, trägt ein sichtlich teures Kleid. Sie liegt allerdings wie geschändet auf dem Diwan, aus ihrer Kehle quillt Blut. Nein, das Mädchen Jesse ist nicht tot. Das Bild, mit dem der Film „The Neon Demon“ beginnt, ist, wie sich schnell zeigen wird, eine Fotografie. Alles bloß inszeniert. Aber dieser Schockmoment zeigt von Anfang an, dass hier Gefahr droht.

Es ist die ewige Geschichte von dem naiven Ding vom Lande, das in die große Stadt kommt. Eine Geschichte, wie man sie schon tausendfach gesehen hat. Kultfilmer Nioclas Winding Refn („Drive“) hat diese Konstellation mal nicht in der Film- oder Musikszene platziert, sondern in der Welt der Mode. Und das verspricht erst mal, hochinteressant zu werden: Schließlich dreht der Däne nicht nur Kinofilme, sondern auch Werbespots, etwa für Marken wie Guccy, Hennessey, YXL oder H&M. Er weiß also, wovon er dreht.

Jung und naiv ist sie, die noch nicht mal 17-jährige Jesse, die da aus irgendeinem Provinznest in Los Angeles ankommt. Und Elle Fanning gibt sie so blond und blauäugig, wie selbst der unbedarfteste Teenager vom Lande eigentlich nicht in die fremde große Stadt gucken würde. Ein Freund hat sie so makaber inszeniert, weil er allen Ernstes glaubt (und sie auch), dass sie sich so bei Agenturen als Model bewerben könnte.

Schon beim Abschminken wirft eine offenkundig gleichgeschlechtlich veranlagte Maskenbildnerin namens Ruby (Jena Malone) lüsterne Blicke durch den Spiegel. Sie lädt sie auf eine Party ein. Jesse geht mit und lernt dort zwei junge Frauen (Abbey Lee, Bella Heathcote) kennen, die ebenfalls Models sind und ihr Tipps geben könnten. Aber Models sind keine Kolleginnen, sondern Konkurrentinnen, und dass die anderen erfahrener sind, meint nur, dass sie älter sind. Deshalb fixieren sie den Neuzugang mit abweisenden Blicken.

Und dann ist da noch der Vermieter ihrer mehr als billigen Absteige, der zwar von Keanu Reeves gespielt wird, aber so aasig und schmierig, dass man bei ihm nun wirklich nicht wohnen wollte. Dass gleich in der ersten Nacht ein wildes Tier, ein Puma, in Jesses Zimmerchen eindringt, ist vielleicht ein bisschen sehr dick aufgetragen. Ja ja, schon verstanden: Nirgends ist sie sicher, überall lauern tierische Triebe. Aber der Puma zeigt in gewisser Weise auch, dass Refn jedwede Plausibiltät gern für ein Bild opfert. Er will die Oberflächlichkeit der Modewelt geißeln und gießt das doch in Bilder, die permanent selbst nur schicke Oberfläche sind.

Zudem weiß man bald nicht mehr, ob hier die Modewelt oder einfach das Horrorfilm-Genre persifliert werden soll. Am Ende, so viel sei schon mal verraten, gibt es jedenfalls ein paar ziemlich hässliche Splatter-Momente, gegen die die aufgeschlitzte Kehle vom Anfang harmlos wird. Aber an dieser Stelle karikiert sich Refn eigentlich schon nur noch selbst.

„The Neon Demon“ USA/F/D 2016, 110 Min., ab 16 J., R: Nicolas Winding Refn, D: Elle Fanning, Karl Glusman, Keanu Reeves, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor, Studio, UCI Mundsburg; www.theneondemon.com