Aus der antiken Erzählung der Nymphe Galathea mit ihrem verliebten Hirtenknaben hat der französische Maler Nicolas Poussin im Jahr 1627 eine einigermaßen zügellose Szenerie gemacht. Es geht in diesem Bild aber mitnichten „nur“ um lüsterne Satyrn und ihre Gespielinnen. Sondern hier eröffnet sich ein ganzer geistig-künstlerischer Kosmos.

Von ihm handelt eine kunsthistorisch und geistesgeschichtlich anspruchsvolle, fast 300 Jahre französischer Malerei umfassende Ausstellung, die ab Sonnabend im Bucerius Kunst Forum zu sehen ist: „Von Poussin bis Monet – die Farben Frankreichs“. Möglich wurde diese hochkarätige Schau durch die temporäre Schließung der Irischen Nationalgalerie in Dublin, die viele dieser Werke beherbergt, und die Zusammenarbeit mit dem Arp Museum Rolandseck.

Kuratorin Eva Fischer-Hausdorf hat sie in acht Kapitel gegliedert und etwas mager beschriftet, weshalb sich die Lektüre des Kataloges umso dringlicher empfiehlt. Der Bogen spannt sich von der Zeit um 1600 bis 1900. Ein wichtiger Schritt zur Selbstaufwertung war 1648 die Gründung der Königlichen Akademie für Malerei durch Charles Le Brun. Die Maler wollten sich von den Handwerker-Gilden absetzen und durch die innige Verbindung ihrer Kunst mit der griechischen Mythologie und der Bibel bessere Aufträge an Land ziehen.

Absolutistischen Herrschern wie Ludwig dem XIV. von Gottes Gnaden und seiner Entourage kam das entgegen. Sie konnten ihr Repräsentationsbedürfnis durch solche Historienbilder stillen, wie sie jetzt im unteren Zentralraum des Bucerius Kunst Forums hängen. Nicolas Poussins bühnen­hafte, bunt ausgeleuchtete „Galathea“-Szene findet sich hier neben biblischen Geschichten. Mit Simon Vouets Darstellung der vier Jahreszeiten ist eine Rarität zu finden: Offenkundig hält der nackte Winter seinen Hund gerade noch im Zaum, der dem panischen Herbst ans Leder will, während er den blumenumkränzten Frühling anschmachtet ... Solche Frivolitäten waren im 17. Jahrhundert eine Seltenheit, sie kamen erst Jahrzehnte später in Mode, und dann um so flächendeckender. Ebenfalls sind hier noch zwei exemplarische Landschaften zu entdecken, eine heroische von Jean-Francois Millet, und eine idealisierte von Claude Lorrain – beides sehr schöne Bilder.

Es folgt der Gang in die Kabinette rund um den Zentralraum. Der prassende Adel schien die ewige Erbauung satt gehabt zu haben. Dafür genoss man in diesen Kreisen die Freuden aller Sinne umso hemmungsloser. In diesem Zusammenhang gelang Jean-Antoine Watteau die Wiederbelebung der venezianischen und später der niederländischen Pastorale in Gestalt der sogenannten „fêtes galantes“: Das waren Darstellungen fröhlicher, eleganter Gesellschaften, die sich in der freien Natur verlustierten. In Wahrheit fanden solche Vergnügungen des Adels kaum auf dem Lande statt, sondern in den eigenen abgeschlossenen Parks.

Ein Gemälde Watteaus sucht man hier vergeblich, dafür sind ähnlich fein gemalte Lustbarkeiten seiner Zeitgenossen wie Jean-Baptiste Pater zu finden. Anspielungsreich ist ein kindliches Schäferstündchen („Die Flötenlektion“) von Francois Boucher und sein im Pinselduktus sehr modernes „Junges Mädchen im Park“. Langsam begann das verschwenderische Ancien Régime zu schwächeln, und dem Volk ging es immer schlechter, so schlecht, dass 1789 die Köpfe in der ersten französischen Revolution rollten.

Die Ideen des Gelehrten Jean-Jacques Rousseau griffen mit denen von Voltaire um sich, Rousseau plädierte für eine umfassende, absolut freie, eigenständige Erziehung aller Kinder, und langsam emanzipierte sich das Bürgertum, das auch als Kundschaft für Kunst bedeutend wurde.

Was folgte, war „moralische Malerei“, die den Zusammenhalt der Familie unterstrich oder die Lernwilligkeit der Kinder – eine Weiterentwicklung der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts, angepasst an französische Verhältnisse. Als Schlüsselbild kann man „Die Kapuzinerpuppe“ von Jean-Baptiste Greuze betrachten: Es zeigt ein sehr nachdenkliches kleines Mädchen, das nachlässig eine nach hinten umgekippte Mönchspuppe in den Händen hält – für die Gleichstellung der Mädchen in der Bildung wie für die Entmachtung der Kirche steht dieses wundervoll gemalte Bildnis. Schön, dass man es hier erstmals außerhalb Dublins zu sehen bekommt!

So wenig salbungsvoll konnte die Malerei, die der Adel favorisierte, natürlich nicht aussehen. Dennoch mussten auch die neuen Ideen, der Sieg der Vernunft durch die Aufklärung, in deren Kreisen Einzug halten. So nahm der Heldenkult neue Gestalt an, Maler wie Jacques-Louis David suchten sich Motive aus Homers Dichtung und formten daraus repräsentatives Heldengetümmel. Dieses Kapitel ist etwas schwach auf der Brust, und Gemälde wie das in abstrakte Flächen aufgelöste Bild „Der Brand“ von Eugène Fromentin gehören hier thematisch nicht hin.

Lange konnten sich die Helden am Firmament der Kunst nicht mehr halten. Sie wurden abgelöst von der Realität, und mehr und mehr auch von einem sozialen Gewissen, wie Corot es andeutet. Sein Scheunenbild, Daubignys und Millets Landschaften sind eine Augenweide, zu finden im Obergeschoss, wo die Moderne eingezogen ist. Hier kann man sich daran freuen, was für ein Befreiungsschlag es für die Kunst war, die Vorgaben der Akademien endgültig über den Haufen zu werfen und zum Malen in die freie Natur zu ziehen. Herrliche impressionistische Bilder, von Monet, Eugène Boudin, Sisley und van Gogh beschließen diesen Reigen.

Von Poussin bis Monet. Die Farben Frankreichs“ Sa 10.10, 11 bis 18 Uhr, Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt, Eintritt 8 ermäßigt 5 Euro; die Ausstellung ist bis 17.1.2016, täglich von 11 bis 19 Uhr zu sehen
Exklusive Abendblatt-Leser-Veranstaltung am 23.10., 19.30 Uhr, inklusive Vortrag, Führung, Begrüßungsgetränk und Büfett. Kosten: 40 Euro. Buchung über T. 30 30 98 98