„Boy 7“ ist ein düsterer Thriller, stark gespielt und inszeniert

Es gibt nicht viele gelungene Action-Filme aus Deutschland. Dieser hier ist einer. Der Hamburger Regisseur Özgür Yildirim hat sich ein paar zugkräftige Jungstars geschnappt, sich mit der Romanvorlage von Mirjam Mous einen packenden Thriller-Plot aus dem Reich der Dystopie gesichert und mit „Boy 7“, einen echten Reißer für die filmaffine Jugend hingelegt.

Der Hamburger Schauspieler David Kross – aus der Verfilmung von „Der Vorleser“ noch in bester Erinnerung – überzeugt als junger Hacker Sam, der sich in einem Albtraum wiederfindet. In einem U-Bahn-Tunnel erwachend, realisiert er, dass er sich offenbar gleichzeitig auf der Flucht vor Gesetzeshütern und einer geheimnisvollen Organisation befindet. Ein Notizbuch, das ihm scheinbar zufällig in die Hände fällt, offenbart eine ungeheuerliche Verschwörungstheorie. Auf seiner Flucht bleibt er immerhin nicht allein. Lara, herrlich frech gespielt von Talent Emilia Schüle, gesellt sich hinzu. Sie ist jung, attraktiv und lehnt sich offenbar gegen Obrigkeiten aller Art auf.

Traumgleich rollt der Film den Inhalt des Notizbuches und damit die Genese von Sams Bedrängnis auf. Nach einer Hacker-Attacke auf Schulnoten landet er per richterlicher Anordnung in einer Anstalt mit dem Namen Kooperation X, die sich die kriminelle Energie junger, gleichwohl hochtalentierter Gesetzesbrecher zunutze macht.

Allerdings liegt das Fernziel der Institution im Dunkeln. Der Alltag ist geprägt von Disziplin, Regelwerk, bis hin zur totalen Überwachung. Regisseur Yildirim setzt Kooperation X gekonnt ästhetisch kalt als Fabrik in Szene. Im Angesicht fragwürdiger Persönlichkeitstests regen sich bei Sam Zweifel am Resozialisierungsziel. Es kommt aber noch dicker. Ungeklärte Todesfälle und andere Zwischenfälle häufen sich. Undurchsichtige Aufseher wie Isaak, gespielt vom Hamburger Theaterstar Jens Harzer, vergrößern das Vertrauen auch nicht gerade. Sams Versuche, mithilfe eines Zimmergenossen und der rebellischen Lara, die er hier zum ersten Mal trifft, hinter die Wahrheit zu kommen, kreuzen sich mit den Wirren des Heranwachsens, der Entdeckung des anderen Geschlechts und den damit verbundenen Unsicherheiten.

Yildirim gelingt es, das Coming-of-Age-Thema gekonnt mit dem Science-Fiction-Thriller zu verbinden und dem Film jenseits des kriminellen Plots eine humane Note zu verleihen. Nicht zuletzt verstehen sich auch seine hervorragenden Jungdarsteller Emilia Schüle und David Kross auf feine Zwischentöne. Gleichzeitig gelingt es Yildirim, die Spannung raffiniert immer weiter zu steigern, bis am Ende ein Wendepunkt den nächsten jagt und dem Kino­zuschauer kaum noch Zeit zum Atem­holen bleibt.

Man braucht nicht weit zu schauen, um in der Realität Beispiele für ein System wie jenes der Kooperation X mit ihrem Kontrollwahn und ihren vernebelten Zielen zu finden.

„Boy 7“ funktioniert als gesellschaftskritische Zukunftsvision, aber der Film funktioniert eben auch als visuell herausragender, exzellent gespielter und höchst unterhaltsamer Thriller. Regisseur Yildirim erweist sich nach frühem Erfolg mit dem mehrfach ausgezeichneten Debüt „Chiko“ auch mit seinem vierten Langfilm als Hoffnungsträger des deutschen Films.

Boy 7 Deutschland 2015, 104 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Özgür Yildirim, Darsteller: David Kross, Emilia Schüle, Jörg Hartmann, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor, UCI Othmarschen-Park