Zuletzt war er als Geschichtenerzähler unterwegs. An Döntjes herrscht kein Mangel, wenn man wie Achim Reichel seit mehr als 50 Jahren im Musikgeschäft unterwegs ist. 100-mal ist der „Storyteller“ Reichel aufgetreten, zuletzt saß er im Herbst 2013, kurz vor seinem 70. Geburtstag, in der Laeiszhalle vor Publikum, erzählte und spielte, spielte und erzählte. „Es war schon eine dolle Erfahrung, 100 Konzerte mit einem Programm zu machen“, sagt der immer noch jung wirkende Beat-Musiker aus Wentorf.

Eigentlich greift diese Bezeichnung zu kurz, denn Reichel hat Anfang der 60er-Jahre mit Beatmusik angefangen, doch im Laufe seiner langen Karriere hat er oft die Stile gewechselt und ist oftmals ein Vorreiter für Genres gewesen, mit denen nachfolgende Musiker dann reich und berühmt geworden sind. Jahrzehnte bevor Santiano mit plattdeutschen Shantys die Hitparaden stürmten, hat Reichel zum Beispiel diese Seefahrer-Lieder aus aller Welt gesungen und auf seinem „Dat Shanty Alb’m“ verewigt.

Der „Kolumbus der Rockmusik“, wie ihn die Journalistin Ingeborg Schober wegen seiner Experimentierfreudigkeit bezeichnete, war mit den Rattles im Vorprogramm der Beatles auf Tournee, er gilt mit A.R. & Machines als Vorläufer von elektronischer Popmusik, hatte eine Psychedelic-Band, produzierte mit Ougenweide mittelalterliche Lieder und vertonte Anfang der 80er-Jahre Texte von Autoren wie Jörg Fauser und Kiev Stingl. Zu der Zeit begann die Neue Deutsche Welle, „aber mich hatte damals kaum noch jemand auf dem Zettel. Ich war ja oldschool“, erinnert sich Reichel. Doch seine Alben „Nachtexpress“ und „Blues in Blond“ erregten nicht zuletzt wegen der großartige Texte Aufmerksamkeit und ernteten Kritikerlob.

Nach der „Storyteller“-Tournee hatte Reichel lange überlegt, ob er zu seinem 70. Geburtstag eine Autobiografie verfassen oder ein neues Album aufnehmen sollte. Er fing an zu schreiben, doch die Memoiren setzten ihn so sehr unter Zeitdruck, dass er die Arbeit dran erst mal zur Seite legte und vor einem Jahr damit begann, eine neue Platte vorzubereiten. „Raureif“ erschien im Januar mit neuen Songs und ein paar ausgearbeiteten Nummern, die er als Skizzen noch in seinem Archiv hatte. Unter anderem gibt es auf „Raureif“ Lieder von Stingl, Fauser und von Fritz Graßhoff, der schon für Hans Albers Texte geschrieben hat. Dessen „Ole Pinelle“ interpretiert Reichel als modernen Rock-Shanty mit Tex-Mex-Einflüssen. „Raureif“ ist ein Album geworden, auf dem Reichels stilistisch vielfältige Musik sich wie ein Kaleidoskop entfalten kann.

Für das Konzert am 27. April im Mehr!-Theater hat er eine Band zusammengestellt, in der ein Schlagzeuger fehlt. Den Beat besorgt ein Perkussionist. „Da muss ich mit meiner Stimme nicht so dagegen halten, wenn der Drummer losbrettert“, sagt er.

Achim Reichel Mo 27.4., 20 Uhr, Mehr! Theater am Großmarkt, Banksstraße 28 (Anfahrt hier),
Karten ab 37,20 Euro m Vorverkauf und an der Abendkasse