Mit entsetztem Blick auf die Uhr am Nachttisch und den One-Night-Stand neben ihr rappelt sich Bec aus dem Bett. In hastig übergestreiften Klamotten, mit wirren Haaren, zerlaufener Wimperntusche und einem Schluck Mundwasser stürzt sie in ihren rumpeligen Truck, um kurz darauf vor der Designervilla von Kate und Evan vorzufahren, wo sie schnell noch die Zigarette im Blumenkübel ausdrückt, als sich die Tür bereits öffnet. Auch der Lebenslauf, den sie zerknittert aus ihrer Beuteltasche zieht, kann kein Vertrauen wecken, denn weder als Haushälterin noch als Putzfrau und schon gar nicht als Krankenpflegerin kann sie irgendwelche Expertisen aufweisen. „Haben Sie schon mal jemanden versorgt, der an einer degenerativen Krankheit leidet?“, fragt Evan, der sie am liebsten gar nicht erst ins Haus gelassen hätte. „Nicht wirklich“, ist das Einzige, das sie antworten kann.

Alles spricht gegen diese Studentin und Möchtegernmusikerin, die in ihrem Leben noch nie etwas bis zum Ende durchgezogen hat, und genau darum stellt Kate sie ein, ungeachtet ihrer taktlose Fragen („Warum haben Sie mit dem Klavierspielen aufgehört?“), ihrer Unfähigkeit in der Küche (sie verwandelt den deckellosen Mixer in eine Smoothie-Spraygun), und auch bei den alltäglichen Verrichtungen im Bad (ihren Schützling setzt sie so unbeholfen auf die Toilette, dass beide auf den Boden stürzen). Doch mit ihrer beherzt erdigen Einstellung sorgt sie dafür, dass sich Kate nicht wie eine Patientin fühlt, sondern eher wie eine „ziemlich beste Freundin“.

Als „unromantische Liebesgeschichte“ bezeichnet Hilary Swank diesen Film, für dessen Existenz sie sich nicht nur als Hauptdarstellerin, sondern auch als Produzentin eingesetzt hat. Tatsächlich ist „Das Glück an meiner Seite“ ziemlich frech nach dem Modell des französischen Millionen-Hits geschneidert, wobei man sich fragen muss, wie die deutschen Titeltüftler vom ernüchternden „You’re not you“ des Originaltitels allen Ernstes auf den romantisch lieblichen deutschen Titel „Das Glück an meiner Seite“ kommen konnten, der die schmerzlichen Erfahrungen, um die es geht, völlig negiert.

Nach den Oscar-Erfolgen der Alzheimer-Geschichte „Still Alice“ und dem Stephen-Hawking-ALS-Drama „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ reiht sich nun auch die Verfilmung von Michelle Wildgens in Nordamerika sehr populärem Debütroman in die aktuelle Flut der Filme ein, die von schrecklichen Krankheiten erzählen, die in einer zunehmend älteren Gesellschaft immer mehr Menschen betreffen.

Ins schick sterile Upper-Class-Designerleben von Kate und Evan poltert die Diagnose unerwartet. Am 35. Geburtstag bemerkt Kate beim Klavierspielen für ihre Gäste ein unkontrolliertes Zittern in ihrer Hand. Danach hält sich der Film nicht mit Zweifeln, Ahnungen und Ängsten auf, sondern zoomt flugs zur Gewissheit eineinhalb Jahre später, als Kate bereits von ihrem Mann (Josh Duhamel in einer eher undankbaren Rolle) gewaschen, angezogen und geschminkt werden muss. Nach ihrem katastrophalen Antrittsbesuch erweist sich Bec schnell als frischer Wind im Alltag mit der Krankheit und als effizienter Schutzwall gegen dominante Mütter, taktlose Freundinnen und professionell fürsorgliches Pflegeheimpersonal: „Wir verschwinden hier, es sei denn, Sie servieren Tequila in diesen Schnabeltassen“, blafft sie und schiebt ihren Schützling resolut nach draußen. Mit gesundem Menschenverstand und einem Herz am rechten Fleck bringt sie etwas Lebensfreude in die ausweglose Situation und gewinnt im Austausch an ­Sicherheit und Selbstvertrauen, die ein gutes Rüstzeug für ihre weitere Zukunft nach Kates Tod sein werden.

Das ist alles in allem reichlich vorhersehbar, das Drehbuch ist formelhaft konstruiert, und die Inszenierung von George C. Wolfe, der sich als Broadway-Produzent und -Regisseur einen Namen gemacht und zuletzt mit „Das Lächeln der Sterne“ Nicholas-Sparks-Kinodutzendware inszeniert hat, ist eher uninspiriert plump geraten. Trotzdem gelingt es den beiden Schauspielerinnen, die Klischees mit dem einfühlsamen Realismus ihres Spiels zu durchdringen. Die zweifache Oscar-Preisträgerin Swank fühlt sich glaubhaft in die Demütigungen durch eine degenerative Krankheit ein, die ihr die Kontrolle über den eigenen Körper nimmt, mit einer Stimme, die zunehmend rauer und unartikulierter wird, mit steif verkrampften Bewegungen und resigniert unbehaglichen Blicken, mit denen sie auf das Unverständnis ihrer Umwelt reagiert.

Und Emmy Rossum erinnert mit ihrem entwaffnend ruppigen Charme an das komische Talent von Mila Kunis, aber auch an die frühe Katie Holmes aus „Pieces of April – Ein Tag mit April Burns“, die sich in ähnlicher Weise von ihrem Image als schwarzes Schaf der Familie befreit hat.

Das Glück an meiner Seite 2014, 93 Min., ab 6 Jahren, Regie: George C. Wolfe, Darsteller: Hilary Swank, Emmy Rossum, Josh Duhamel, täglich im Blankeneser, Passage