Es gibt ja gesellschaftliche Brennpunkte, durch deren Betrachtung man einer präzisen Einschätzung der Lage im Land näher kommen kann. Wir reden über den Elternabend. Dass es bis jetzt gedauert hat, dass dieses Gemetzel der Götter unserer Kinder, der Eltern und Lehrer also, leinwandrelevant wurde, ist eines der größeren Kulturrätsel. Dass es das in Sönke Wortmanns Film „Frau Müller muss weg“ so lehrreich tut, so sehr lustig und böse, ist tröstlich.

„Frau Müller muss weg“, das auf einem erfolgreichen Theaterstück Lutz Hübners beruht, besitzt genug Schlagkraft und schwarzen Charme, die Komödie des Frühjahrs zu werden. Weil es nicht Kammerspiel im Klassenzimmer bleibt. Sondern Fenster und Türen aufreißt und als Echolot funktioniert für fast alles, worum es gegenwärtig geht.

In einer ziemlich gut ausgestatteten Dresdner Grundschule trifft sich eine Art pädagogische Pegida-Bewegung, fünf mehr oder weniger peinliche Erwachsene kämpfen gegen die Idiotisierung der Achtjährigen. Zusammengerottet haben sie sich wegen Frau Müller. Die muss weg. Weil es jetzt um die Zukunft ihrer Kinder geht. Die sollen aufs Gymnasium. Sonst wird ja nichts aus denen. Dafür brauchen sie gute Noten. Und die kriegen sie nicht mehr. Weil die Stimmung so mies ist in der Klasse, weil Frau Müller, eine altgediente, patente Ostpädagogin, sie nicht mehr im Griff hat. Die ist ja sogar in Therapie.

Und so sind die Eltern denn im Klassenzimmer. Und schon während sie auf Frau Müller warten, während sie ihre Strategie absprechen, zeigen sich Risse. Dass es bei der sich abzeichnenden Schlacht weder um die Pädagogin noch um die Kinder geht, ist schon nach fünf Minuten so klar, als stünde es in Großbuchstaben an der Tafel. Kinder sind bloß Vehikel für Wünsche und Sehnsüchte ihrer Eltern, Objekte für Übertragungen, Kinder sind Projekte. Frau Müller macht da nicht mit. Sie erklärt sich (die Therapie ist eine Physiotherapie, die Pädagogin hat nicht nur Rückgrat, sie hat auch Rücken). Frau Müller flieht. Die Eltern gehen erst aufeinander los, dann Frau Müller suchen.

Das alles hat Rhythmus. Die Pointen sitzen. „Frau Müller ...“ ist die vielleicht beste Schulkomödie seit der „Feuerzangenbowle“. Immer wenn die Geschichten ins Leere zu laufen drohen, wenn das Gemetzel ins Klischee oder in die Klamotte abzudriften droht, wendet sich alles, kehrt sich geradezu ins Gegenteil. „Frau Müller ... “ sollte Pflicht werden für Eltern und Lehrer. Sie würden sich lachend in den Armen liegen und schwören, dass sie es so weit nie kommen lassen. Die Kinder werden es ihnen danken.

„Frau Müller muss weg“ D 2014, 87 Min., ab 6 J., R: Sönke Wortmann, D: Anke Engelke, Gabriela Maria Schmeide, Ken Duken, täglich im Abaton, Blankeneser, Cinemaxx Dammtor, Koralle, Passage, Zeise; www.frau-mueller-muss-weg.de