„Diese Kunst steht ganz im Dienst der Schönheit. Hier geht es nicht um soziale Probleme, sondern um Ästhetik und Luxus. Und das darf auch einmal sein“, sagt Jürgen Döring, der Kurator der Ausstellung „Bilder der Mode. Meisterwerke aus 100 Jahren“, die noch bis zum 3. Mai im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen ist. Dabei geht es um das völlig eigenständige Genre Modezeichnung, das sich erst vor etwa 100 Jahren entwickelt hat. Und zwar mit dem Aufkommen von Modemagazinen wie „Vogue“, das 1892 in den USA gegründet wurde, oder „Gazette du Bon“ (erschien ab 1912 in Paris) und „Harper’s Bazaar“, das heute in 29 Ländern veröffentlicht wird.

Die Ausstellung umfasst etwa 170 Arbeiten, die einerseits die jeweils ganz eigen geprägte Handschrift von herausragenden Modezeichnern vorstellen, zugleich aber die Entwicklung dieser erst relativ spät allgemein anerkannten Kunstform dokumentieren.

„Um Irrtümern vorzubeugen: Hier geht es weder um Entwurfszeichnungen, noch um das pure Abbilden. Modezeichnungen arbeiten das jeweils Charakteristische einer Kollektion heraus und sind damit Interpretationen“, erklärt Jürgen Döring. Die Werke der Ausstellung stammen von der Münchner Galeristin und Sammlerin Joelle Chariau, die sich diesem Thema schon seit knapp drei Jahrzehnten widmet. „Als ich anfing, hat sich sonst kaum jemand um die Modezeichnung gekümmert, das Gebiet lag quasi brach“, sagt die Sammlerin, die dem Wesen der Modezeichnung nachspürte und Originale auf höchstem künstlerischem Niveau aufspürte.

Dabei habe die Mode für sie eigentlich nur eine untergeordnete Rolle gespielt, erklärt die Sammlerin, die eigens zur Ausstellungseröffnung nach Hamburg gekommen ist. Weit mehr interessiere sie, wie die Künstler das jeweils Charakteristische eines Kleides zum Ausgangspunkt ihrer oft recht experimentellen Bildkompositionen gemacht haben. „Für mich ist diese Ausstellung auch eine Reise durch die Zeit, denn die Bilder sind wie Zeitkapseln, in denen der Geist einer bestimmten Epoche, deren Vorstellung von Schönheit und Eleganz bewahrt werden“, sagt Joelle Chariau.Ausgangspunkt ist die Zeit nach 1910Ausgangspunkt ist die Zeit nach 1910, als die Zeichner im Art Déco extravagante Mode viel effektvoller in Szenen zu setzen wussten, als es die Fotografie vermocht hätte. Gedruckt wurden diese Bilder nicht nur in Magazinen, sondern häufig auch in den Publikationen von Modehäusern, die darin die Möglichkeit sahen, nicht einzelne Kreationen, sondern die Quintessenz ihrer neuesten Kollektionen sichtbar werden zu lassen.

Während auch der eher solide anmutende Stil der 1930er- und 1940er-Jahre im Überblick dargestellt wird, repräsentieren einige herausragende Künstler die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte: René Gruau (1909–2004), der besonders eng mit Christian Dior zusammenarbeitete, erreichte mit seinem u. a. von der japanischen Kalligraphie beeinflussten Stil eine beispielhafte Leichtigkeit und Eleganz. Einige seiner mit kräftigen Gouache-Farben ausgeführten Motive erinnern beinahe an Toulouse-Lautrec, charakteristisch ist die starke Konturierung seiner stets eleganten Silhouetten. Antonio (1943–1987), der eigentlich Antonio Lopez hieß, arbeitete in den 1960er-Jahren mit Modedesignern wie Karl Lagerfeld und Yves Saint Laurent zusammen und war mit Andy Warhol eng befreundet.

Seine Blätter sind enorm experimentell, greifen vielfältige Einflüsse auf und sind stark von der Pop Art beeinflusst, vor allem von Roy Lichtenstein. Mit sehr viel zurückhaltenderer Farbigkeit operiert der in New York tätige Schwede Mats Gustafson, der sich auf wenige Akzente beschränkt und Aquarelle malt, die zart und intensiv, fein und kraftvoll zugleich sind. Der aus der französischen Schweiz stammende François Berthoud arbeitet mit verschiedenen Techniken wie Linolschnitt und Computergrafik, bevorzugt jedoch die Monotypie. Für den nur einmaligen Abdruck behandelt er die Platte mit Ölfarben, wobei er eine ganz eigene und unverkennbare Handschrift entwickelt.

Seine Blätter sind signalhaft, zugleich aber von enormer Eleganz und Raffinesse. Die mitunter enorm feinen Strukturen, die manchen seiner markanten und farbintensiven Motive unterschwellig erst Volumen verleihen, lassen sich teilweise nur bei stärkerer Beleuchtung erkennen. Zurückhaltender, zarter und auch geheimnisvoller wirken die Arbeiten der Französin Aurore De La Morinerie, die sich für ihre Bilder, die gewiss nicht zufällig an japanische Tuschzeichnungen erinnern, ebenfalls der Monotypie bedient.

Ohne die Haute Couture würde es diese Kunst nicht geben, die aber dennoch nicht das bloße Beiwerk von Mode ist. „Gerade weil diese Künstler Mode nicht einfach abbilden, sondern sie auf ganz eigene Weise interpretieren und damit die Essenz einer Kollektion sichtbar machen, entsteht eine faszinierende Kunst, die durchaus auch allein bestehen kann“, sagt Jürgen Döring und fügt hinzu: „Wenn man Gustafson, Berthoud und Aurore De La Morinerie die gleiche Kollektion zeichnen ließe, würden man dennoch einen völlig unterschiedlichen Blick darauf gewinnen.“

Wie wichtig die Zeichnung für das Image sein kann, war den führenden Modedesignern schon seit Jahrzehnten bewusst, nicht zufällig nahmen sie die fähigsten Zeichner ihrer Zeit unter Vertrag.

Und manche von ihnen prägten mit ihrer künstlerischen Sicht sogar die öffentliche Wahrnehmung der Haute Couture ganz maßgeblich. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür ist René Gruau, ohne den der Stil des Hauses Dior vor allem in den 1950er-Jahren kaum vorstellbar wäre.

Bilder der Mode. Meisterwerke aus 100 Jahren So 28.12., 10 bis 18 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe. Steintorplatz, Eintritt 10, ermäßigt 7 Euro, Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren zahlen keinen Eintritt; die Ausstellung ist bis zum 3.5., dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr zu sehen