Sie wiegt 100 Kilogramm bei einer Größe von 1,60 Metern. Doch ihre beträchtliche Leibesfülle ist nicht das Erste, was an Tanja Bahmani auffällt. Es sind ihre dunklen Augen und ihr lachender Mund. Sie trägt ein dekolletiertes rotes Kleid, schwarze Leggins und elegante Schuhe mit hohen Absätzen. Sie verkörpert Selbstbewusstsein, sie strahlt, ihre Ausstrahlung ist rundum positiv. „Ich bin mir meines Körpers bewusst“, sagt sie. „Er ist weich und rund und sinnlich. Ich habe eine Sanduhrenfigur.“ Tanja Bahmani ist zweifelsohne eine attraktive Erscheinung. Kaum jemand würde über sie „die Dicke“ sagen. „Dicksein erweist sich als Barriere für den Zugang zu bestimmten beruflichen Tätigkeiten“, schreibt die Soziologin Eva Barlösius in ihrem Buch „Dicksein“. Für Tanja Bahmani gilt dieser Satz nicht. Sie ist Schauspielerin – eine, der schon Rollen auf den Leib geschrieben wurden.

Zurzeit spieltt die 34 Jahre alte Darstellerin am Ohnsorg Theater, wo sie seit drei Jahren immer wieder gastiert. Heute spielt sie auf der Studiobühne wieder Neil La Butes ins Plattdeutsche übertragene Tragikomödie „Fett Swien“, im Januar ist Bahmani in der Komödie „Wat den een sien Uul“ dabei und verkörpert eine „etikettierte Businessfrau“, wie sie sagt. Die Geliebte eines Senators hat sie am Ohnsorg auch schon gespielt. „Fett Swien“ gehört zu den Rollen, in denen ausdrücklich eine schwergewichtige Darstellerin gefordert ist. In dem Stück des amerikanischen Autors kämpft die Bibliothekarin Milena gegen die Intoleranz ihrer Umgebung und um die Liebe ihres Kollegen Tom. Im Büro muss sie viele ätzende Kommentare ertragen. Sie wird gehänselt und beleidigt, eine Rundmail mit einem Foto des „fetten Schweins“ wird ebenfalls losgeschickt. Milena begegnet den Gemeinheiten mit Schlagfertigkeit, wobei sie sich auch selbst auf die Schippe nehmen kann.

„Milena trägt schöne Kostüme und wehrt die Angriffe auf sich selbstbewusst ab“, beschreibt Tanja Bahmani ihre Rolle. Besonders freut sie sich über den Zuspruch, den sie von Zuschauerinnen bekommt. Sie wird oft nach der Vorstellung angesprochen und hat eine Reihe von Briefen erhalten. „Viele Frauen fühlen sich aufgehoben, wenn sie das Stück sehen, weil sie vielleicht zum ersten Mal erleben, dass man auch mit einer nicht so schlanken Figur tolle und ausgefallene Kleidung tragen kann“, so Bahmani. In „Fett Swien“ stöckelt die in Köln aufgewachsene Schauspielerin sogar auf zwölf Zentimeter hohen High Heels über einen Laufsteg. Durch die Nähe zum Publikum bekommt sie all die anerkennenden Kommentare mit, wenn sie halsbrecherisch über den Catwalk stolziert und sich über alle Vorurteile hinweg setzt. „,Wie geht das?’, werde ich oft gefragt. Ich antworte dann immer: ,Probiere es einfach aus und sieh hin, wie du dich damit fühlst’.“

Neil La Butes Stück dramatisiert die gesellschaftliche Ächtung der „Dicken“ durch die „Normalen“. Übergewicht wird von vielen Studien als ein gesundheitliches und gesellschaftliches Problem gesehen; der „Dicke“ wird stigmatisiert und ausgegrenzt. Die Wissenschaftlerin Eva Barlösius macht in ihrer aktuellen Arbeit deutlich, dass diese Ausgrenzungen auf Forschungsergebnissen basieren, in denen Betroffene in den meisten Fällen nicht befragt worden sind. „Sie sind mehr Objekt denn Subjekt der Studien“, schreibt sie. Inzwischen gibt es vor allem in den USA Bestrebungen für gesellschaftliche Gleichberechtigung aller Menschen unabhängig von ihrem körperlichen Aussehen.

Denn nicht viele Menschen gehen so positiv mit ihrem Körper um wie Tanja Bahmani.

„Ich bin schon etwas mollig auf die Welt geplumpst“, erzählt die Schauspielerin mit den iranischen Wurzeln. „Bei uns in der Familie haben alle eine etwas fraulichere Figur. Es liegt wohl in den Genen.“ Sie gibt zu, dass sie gern und mit Genuss isst, aber auch sehr bewusst kocht. Ohne Glutamat, aber mit vielen Qualitätsprodukten. Unter anderem stellt Bahmani ihr eigenes Tomatenmark her. An ein Abnehmprogramm hat sie noch nie gedacht. „Ich habe aber auch eine Schmerzgrenze und intensiviere mein Sportprogramm, wenn ich mich nicht mehr wohlfühle“, sagt sie. Eine Gerte wollte sie nie sein. „Ich finde nichts schöner als viel Busen und Po.“ Sie möchte beweglich sein und nicht schnaufen, wenn sie eine Treppe hochsteigt. „Einen Spagat bekomme ich auch noch hin“, sagt sie mit Stolz. Und Bauchtanz beherrscht sie auch: „Da muss es wackeln.“

Froh ist Bahmani auch über einen Model-Job für eine Modefirma, die Kleidung ab Größe 42 herstellt: „Zusammen mit zwei anderen Models fungiere ich als Glücksbotschafterin.“

Modische und schicke Kleidung ist Tanja Bahmani wichtig. Frustriert ist sie manchmal, wenn es ein Kleid nicht in ihrer Größe gibt. „Das passiert aber auch Frauen mit sogenannten normalen Figuren. Dann hat man eben Pech gehabt.“ Wenn ihre Zeit es zulässt, näht die Schauspielerin sich ihre Kleider selbst. An Selbstsicherheit fehlt es der jungen Schauspielerin und Musicaldarstellerin nicht.

Auch mit 100 Kilo auf der Waage und einem rundlichen Äußeren taugt sie zum Role-Model: „Schämen muss sich niemand für seine Figur.“

Fett Swien Sa 27.12., 19.30 Uhr, Ohnsorg Theater, Heidi-Kabel-Platz 1, Karten ab 20 Euro unter T. 35 08 03 21