Wo Kryptonit auf die Erde fällt, wird Superman schlapp. Batman neigt ohnehin zu Depressionen. Und jetzt auch noch Spider-Man: Im Finale von „The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro“ stürzt der von seiner Superheldennatur her sonst unbeschwerteste aller latexkostümierten Überflieger ins tiefe Loch der Melancholie. Da mögen sich die Fans noch so sehr die 3D-Brille reiben, Peter Parker kann sich nicht aufraffen. Denn, als hätte Julia Timoschenko am Drehbuch mitgesponnen: Ein durchgeknallter Russe (Paul Giamatti) droht in seinem Rhinozeros-Panzer ganz New York niederzustampfen. Nur ein kleiner Junge im Kindergeburtstagsspinnenkostüm stellt sich „Rhino“ entgegen. Durch den Knirps fühlt sich der echte Spider-Man an seine Pflichten erinnert. Back to Business. Das Heldenleben geht weiter. Die nächsten Sequels sind ja auch schon geplant.

Wenn nicht wieder was dazwischen kommt. Zwischen 2002 und 2007 hatte Ex-Spinnendompteur Sam Raimi drei ungeheuer erfolgreiche Spider-Man-Filme gedreht. 2010, die Dreharbeiten zu „Spider-Man 4“ hatten schon begonnen, kamen die Beteiligten überein, dass das Drehbuch untauglich war. Sony stoppte die Produktion, trennte sich von Sam Raimi sowie den Stars Tobey Maguire und Kirsten Dunst und fing mit einem neuen Team von vorn an.

Die Regie ab „The Amazing Spider-Man“ (2012) übernahm Spielfilm-Newcomer Marc Webb. Das Debüt „(500) Days of Summer“ war ein Überraschungserfolg. Dass Webb nicht nur weiß, wie man Spinnenmänner durch Hochhausschluchten jagt, sondern auch, wie sich Schmetterlinge im Bauch anfühlen, hat er bereits in „Spider-Man 1“ gezeigt. Und auch diesmal inszeniert der Regisseur die Tändeleien zwischen Andrew Garfield und Emma Stone mit Eleganz und Witz. Man muss Maguire und Dunst (als Mary) ohnehin nicht nachtrauern. Mit Peter Parkers „neuer“ Freundin Gwen betritt ein modifizierter Frauentyp das Beziehungsnetz. Stone bringt sich energischer als die melancholisch verhangene Dunst ein.

Viel änderte sich – bis auf schwindelerregende 3D-Effekte und neue Gesichter – mit „The Amazing Spider-Man“ (2012) gegenüber dem ersten Serienstart vor nur zehn Jahren dennoch nicht. Wieder wächst der Waisenjunge Peter Parker bei Onkel und Tante auf. Als er von einer genmanipulierten Spinne gebissen wird, entwickelt der Teenager übernatürliche Kräfte.

Im Reboot der Reihe kämpfte Peter als Spider-Man zunächst gegen einen zum Horror-Reptil mutierten Wissenschaftler. Den Chef des Konzerns Oscorp Industries und seinen Sohn Harry (einst von Willem Dafoe und James Franco gespielt) lernen wir erst jetzt, in Episode Zwei, kennen. Leider hat der großartige Chris Cooper nur einen Kurzauftritt als sterbender Firmengründer. Seinen Sohn Harry spielt Dane DeHaan mit morbidem Charme. Harrys Mutation von Peter Parkers bestem Freund zu Spider-Mans Erzfeind Grüner Kobold ereignet sich, verglichen mit der Raimi-Version, im Schnelldurchlauf. Als Supermann fürs Grobe kann Harry den desaströsen „Electro“ für sich gewinnen. In dem Monster steckt der introvertierte Elektriker Max Dillon (Jamie Foxx), der nach einem Hochspannungs-Unfall leuchtend und stromfressend sein Unwesen in Manhattan treibt.

Visuell ist das neue Sequel gerade in den Zweikampfszenen zwischen Spider-Man und Electro hinreißend. Im Actiongenre bietet die Stereoskopie wirklich ein dickes Plus, die 3D-Technik befreit den Comic endgültig aus den Begrenzungen des bedruckten Papiers. Dafür, dass Peter Parker auch diesmal nicht hinter der Kampfmontur Spider-Mans verschwindet, sorgt Andrew Garfield. Der junge Titeldarsteller ist eine perfekte Wahl für den ausgesprochen spätpubertär angelegten, immer etwas tollpatschig agierenden Spider-Man 2.0. Ein besonderer Wunsch des Schauspielers wird sich indes wohl nicht erfüllen: „Liebend gerne würde ich als Spider-Man bei den Avengers mitmischen“, verriet der junge Schauspieler kürzlich. Doch Marvel hat die Spider-Man-Rechte an Sony abgetreten. Das Marvel-Universum ist geteilt.

„The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro“, Do, 17.4. 20.10 Uhr, Cinemaxx Dammtor, Comicfilm USA 2014, 142 min., von Marc Webb, mit Andrew Garfield, Emma Stone, Jamie Foxx, Sally Field, Paul Giamatti