Eine Glosse von Lars Hansen

Wenn ich in Bewerbungsgesprächen nach meinen Schwächen gefragt werde, nenne ich meistens etwas, das ich in solchen Unterhaltungen durch die Bezeichnung „Dreidimensionale Schreibtischorganisation" schönrede, womit ich aber lediglich die Anordnung von Arbeitsmaterialien im Haufenprinzip meine. Üblicherweise hat ein von mir belagerter Schreibtisch drei bis vier flachkegelige Erhebungen in seiner Topografie, die alle mal als saubere Stapel gemeint waren. Und weil ich mich in diesen Haufen „so gut auskenne“, wühle ich ständig darin, um benötigte Dinge zu finden, was der Akkuratesse der Materialienanordnung natürlich abträglich ist.

Für dieses Haufenprinzip werde ich manchmal kritisiert, häufiger aber verspottet, vor allem von den Frauen in meiner Umgebung, die meinen, dass sie die Ordnung qua Geschlecht gepachtet hätten – was auch immer das mit Emanzipation zu tun hat – und das Haufenprinzip etwas typisch Männliches sei.

Ich sage dazu meistens nichts, sonst gäbe es Streit. In den fünf Jahrzehnten meines Lebens war ich nämlich schon mit diversen Frauen so vertraut, dass ich nicht nur in ihre Herzen, sondern sogar in ihre Handtaschen blicken durfte. Und dort herrscht überall das Haufenprinzip – nur umgekehrt, weil sich die meisten Taschen nach unten verjüngen. Da es wichtige Dinge jedoch an die Spitze des Haufens drängt, sind sie in der Handtasche ganz unten und man muss sich durch Schichten aus Überweisungsbelegen, Kassenbons, Kugelschreibern, Haftnotizen, Hygieneartikeln in fortschreitenden Stadien der Verpackungsauflösung, Sonnencreme und Hustenbonbons graben, um heranzukommen.

Fast jede Handtasche funktioniert so. Aber würden ihre Besitzerinnen das im Bewerbungsgespräch zugeben?