Wie entstehen eigentlich Computer-Games? Alexandra Maschewski hat den Entwicklern Tahsin Avci und Michael Benrad über die Schulter geschaut.

Tahsin Avci kann sich noch genau erinnern, wie seine Leidenschaft für Computer begonnen hat. Wie er als Kind mit seinen Freunden am C64 spielte und manchmal sogar allein in der Nacht, ganz heimlich. Vor drei Jahren hat der 37-Jährige sein Hobby tatsächlich zum Beruf gemacht. Seine Firma Pop Rocket entwickelt Spiele für Computer und Handy – für große und kleine Spielkinder.

Was sich so lustig anhört, ist erst einmal richtig viel Arbeit. Tahsin Avci sitzt mit seinen Kollegen in einem kleinen Büro, alle haben mehrere Computerbildschirme auf ihren Schreibtischen, gesprochen wird nicht viel. „Am Anfang steht immer die Idee für ein Spiel“, erklärt Tahsin Avci. „Das kann eine Figur sein, die du dir ausdenkst, oder eine Geschichte, die du erleben möchtest. Vielleicht ist aber zuerst auch nur das Prinzip da, nach dem das Spiel funktionieren soll.“ Das Zeichnen übernimmt dann der sogenannte „Concept Artist“. Concept Artist, Game Designer, Level Designer – ohne englische Titel geht es in der Spielindustrie einfach nicht.

Wer jetzt glaubt, dass dieser Illustrator mit einem Stift auf einem Zeichenblock Entwürfe von den Figuren oder der Szenerie macht, der irrt sich in den allermeisten Fällen. „Viele arbeiten direkt am Rechner, das macht heute gar keinen Unterschied. Statt auf Papier wird mit einem besonderen Stift digital auf dem Tablet gezeichnet und koloriert.“ Tablet kann man mit Schreibtafel oder Notizblock übersetzen, bei dieser Computerart handelt es sich um ein Gerät, das flach auf dem Tisch liegt. „In einem speziellen Dokument wird danach festgehalten, wie viele Personen es geben soll, welche Gegenstände, wie viele Spielabschnitte oder auch Rätsel.“ Erst später werden die gezeichneten Figuren in Bewegung gebracht. Wenn es sich um 2-D-Figuren handelt, also solche, die aussehen wie im Comic, dann erfolgt auch die Animation ähnlich.

Jede einzelne Stufe der Bewegung wird gezeichnet, durch eine schnelle Einzelbildabfolge wird der Charakter zum Leben erweckt. Das kann man sich ein bisschen vorstellen wie bei einem Daumenkino. 3-D-Animationen sind schon komplizierter. Dreidimensional bedeutet „räumlich“ – die fertigen Figuren und Gegenstände sehen aus, als bewegten sie sich in einem abgeschlossenen Raum. „Dazu werden am Computer Drahtgittermodelle von Figuren und Gegenständen gebaut, deren Oberfläche man dann gestalten kann. Der Animator kann später die Bewegung programmieren“, sagt Avci. Und so geht es weiter: Spezielle Buchstaben- und Zahlencodes entscheiden nicht nur darüber, was die Figuren wann tun, sondern auch darüber, wie das Spiel verläuft und welche Effekte ausgelöst werden. Es gibt sogar schon spezielle Expertenprogramme zur Erstellung von Spielen.

Für jemanden, der sich gar nicht mit Computern auskennt, klingt das alles sehr kompliziert. Wie schnell man sich jedoch technisches Wissen aneignen kann, beweist der 14-jährige Luca. Der Gymnasiast aus Altona macht gerade ein Schulpraktikum in der Winterhuder Firma. Und hat deren Chef schwer beeindruckt: „Ich programmiere Intros für den Internetauftritt von Bekannten“, sagt Luca und klingt wie ein alter Hase. Dabei hat er erst vor einem Monat damit angefangen. Der Lernerfolg ist für alle sichtbar, Luca hat Ergebnisse seiner Arbeit bei YouTube eingestellt. Dreidimensionale Schriftzüge, die sich zu ausgewählter Musik drehen. „Ich könnte mir vorstellen, später in dieser Branche zu arbeiten“, sagt Luca. Für ein kurzes Video braucht er zehn Stunden.

Tahsin Avci weiß, dass es Monate und sogar Jahre dauern kann, bis ein richtiges Spiel so weit ist, dass es zum Beispiel bei Facebook veröffentlicht werden kann. Allein die Testphase dauert Wochen. Zurzeit entwickelt er mit seinen Kollegen das Spiel „Nonocraft“, bei dem ein Puzzle jeweils über den Fortgang der Geschichte entscheidet. Eine mit Göttern aus der griechischen und nordischen Mythologie.

Vor Kurzem hat der dreifache Familienvater übrigens mit seinen fünf- und siebenjährigen Söhnen ein eigenes Spiel gebaut. „Bei der Plattform ,Gamesalad‘ kann man eigene Figuren malen, diese digital abfotografieren und dann in eine Geschichte einbauen“, erklärt er. „Tim’s Abenteuer“ hieß die hausgemachte Rittergeschichte. Doch auch wenn der Vater es wichtig findet, dass seine Kinder einen natürlichen Umgang mit Medien erlernen, gibt es zu Hause klare Regeln. Er weiß selbst am besten, wie erfinderisch Jungs sein können, wenn sie heimlich spielen wollen.