Georges Bizets Oper „Carmen“ von 1875 zählt zu den wahren Musiktheater-Dauerbrennern. Einen ganz eigenen Zugang verspricht indes die Inszenierung von Opernloft-Regisseurin Inken Rahardt und Dramaturgin Susann Oberacker. Im Ernst Deutsch Theater feiert sie am 31. Mai ihre Premiere.

In der Tradition des Opernlofts, das sich klassische Stoffe mit modernen Zugängen für eine kammermusikalische Besetzung aneignet, erzählen Rahardt und Oberacker die Geschichte um den Stierkämpfer José und die Zigeunerin Carmen im Highschool-Milieu. Statt spanisches Flamenco-Ambiente wird Cheerleading eine Rolle spielen. Die beliebte Schülerin Carmen verliebt sich in den Referendar José. „Es geht eher um eine Verletzung der Regeln. Im Original ist José Sergeant, hier Referendar, also auch ein niederer Rang. Und die Liebe ist zwar nicht gesetzlich verboten, weil Carmen schon volljährig ist, darf aber dennoch nicht sein“, sagt Susann Oberacker, die die Textfassung erstellt hat.

Auch in Bizets Original probiert sich die aufgeschlossene Carmen in der Liebe aus, auch darin erkennt Oberacker ein Zeichen von jugendlicher Experimentierfreude. „Vieles aus dem Original kann man heute nicht einfach so erzählen. Da ist der umstrittene Stierkampf, die Zigeunerzugehörigkeit und das Rollenbild der Frau“, erläutert Susann Oberacker. „Carmen kann darin nur eine Dämonin sein,, und Jose ist von vornherein unschuldig.“ Josés Leben gerät durcheinander, auch weil sich eigentlich Micaela, eine langjährige Nachbarsfreundin, Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit ihm macht.

Die neuen Medien spielen eine zentrale Rolle, Carmen kassiert einen Shitstorm

Die Inszenierung gewährt einen Blick auf das Thema Beziehung in Zeiten sozialer Medien. „Man zeigt sich mit jemandem und achtet schon darauf, dass es jemand ist, der halbwegs präsentabel ist“, sagt Oberacker. „Weil man auch die Partner der anderen auf Fotos sieht, führt das zu einer scheinbar größeren Verfügbarkeit“. Carmen kassiert für ihre Eroberung allerdings einen wahren Shitstorm. Und wendet sich daraufhin schnell dem nächsten zu, Escamillo, der hier kein Stierkämpfer ist, sondern Quarterback.

Wie im Original prallen zwei Welten aufeinander. Carmen probiert sich aus. José dagegen ist fest in der realen Welt verwurzelt. „ Die Figur des José ist im Original auf der Flucht. Er hat im Affekt einen anderen getötet und ist vom Ursprungscharakter her jemand, der auf diese Weise Konflikte löst“, so Oberacker. „Auch musikalisch hat er lange Passagen der Wut und der Verzweiflung.“ Im Original geht das natürlich nicht gut aus. Die Opernloft-Macherinnen denken sich einen folgerichtigen Schluss aus.

Die musikalische Leiterin Makiko Eguchi wird dazu eine kammermusikalische Version für Klavier, Geige und Saxofon respektive Klarinette dirigieren. Und trotz aller Modifikationen, die Klassiker wie „Habanera“ und „Toreador“ werden natürlich erklingen.

„Carmen“ ist die zweite Produktion des Opernlofts im Ernst Deutsch Theater. Ab Herbst wird es dann endlich in neue, eigene Räume im ehemaligen England Fährterminal übersiedeln können.

„Carmen“ Premiere Do 31.5., 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen bis Fr 6.7., Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 22 bis 42 Euro unter T. 22 70 14 20