Er habe gerade 14.000.605 Möglichkeiten gesichtet, wie dieses apokalyp­tische Gut-böse-Finale ausgehen könne, sagt Dr. Strange (Benedict Cumberbatch) nach einem schnellen Diagnose-Blick mit seinem inneren Auge auf alle möglichen Zukünfte, kurz nachdem der sattel­schleppergroße Muskelberg Thanos – schlimmste Bedrohung ever, also genauer gesagt: seit dem letzten Avengers-und-umzu-Film – gerade wieder ­den nächstbesten Planeten halb pulverisiert hat. Und es gäbe nur eine einzige mögliche ­Zukunft, in der das Supergemeine tatsächlich verlieren und das Universum über­leben würde. Ideale Voraussetzungen ­also für übermenschliche Kloppereien der Extraklasse.

Wer ist eigentlich Superman? Das ist die Frage, die man sich stellt, während alle fünf Minuten die CGI-Abrissbirne loslegt und die Kino-Lautsprecher beinahe kollabieren und fast jede Marvel-Superhelden-Kombination sich durch das nächste Level von „Avengers: Infinity War“ kämpft, als wäre es eines dieser antiken bonbon­bunten Computerballerspiele. Für die Spezialeffekte dieses Films dürften in etwa so viele Menschen geschuftet haben wie ­beim Bau der Pyramiden.

Zum zehnten Geburtstag dieses Marvel-Kino-Universums, das sich mit bislang 18 Filmen zur monströs erfolgreichen Gelddruckmaschine ausgedehnt hat, wurden nun rund zwei Dutzend Spezial­begabte in Strumpfhosen in 149 Minuten Popcorn-Kino gestopft (Rekordlänge) und mit einer dicken Glasur-Schicht aus Pathos und Selbstironie überzogen. ­Abgeschmeckt wird mal mit Popkultur-Verweisen für die Nerds, mal mit Schopenhauer-Spurenelementen für den philosophischen Unterbau. Für jedes Alter­ etwas eben. Während ein ­Comic-Universum weiter die DC-Konkurrenz aus Superman, Batman & Co. in „Justice League“ mit stoischer Verbissenheit vor sich hin kämpfte, nutzt dieser Film viele Pointen-Potenziale clever aus. Etliche ­Fäden aus Vorgängerkapiteln der Saga laufen ­zusammen, vage Andeutungen werden aufgelöst, Feindschaften vergessen und Verwandtschaften enthüllt, unschöne Vertrauensbrüche ­gekittet und Superkräfte gebündelt.

Alte Regel: Wo gemarvelt wird, da fallen auch Helden

Die Geschichte, die mit einer kleineren Katastrophe zum Warmwerden flott beginnt und sich forsch steigert, setzt nach dem Ende des letzten Thor-Films ein. Und bereits hier werden Neben-Publikumslieblinge geopfert, denn, alte ­Regel, wo gemarvelt wird, da fallen Helden. In früheren Episoden hatten A-Helden wie Black Widow (Scarlett Johansson) mehr zu tun, hier sind es vor allem die drei gut ein­gearbeiteten Haudrauf-Abteilungsleiter Ironman (Robert Downey Jr.), Thor (Chris Hemsworth) und Hulk (Mark Ruffalo), die zeigen, wo es zur nächsten ­Action-Runde geht.

Bei Ahn­vater J.R.R. Tolkien war es ein ­dezenter Ring, doch nun geht es um ein halbes Dutzend Infinity-Steine, Vor-Urknall-Bausteine des Alls, die es zu finden beziehungsweise vor Thanos’ Zugriff zu verteidigen gilt. Thanos (Josh Brolin) hat für sie kein Sammel­album wie für die Fußball-WM, aber einen Handschuh, in denen er einen nach dem anderen einsetzen möchte. Mit jedem Juwel mehr für Thanos’ Linke wird es enger für den Rest des Universums. Gott sei Dank ist dieses All ja ziemlich groß, so ist ­genügend Platz für jeden ­Aspekt der Handlung, die unweigerlich darauf ­hinausläuft, dass der Schurke wie der ­finale Gewinner aussieht.

Großer Teil dieses Kino-Spaßes ist der wunderbar portionierte Einmarsch immer neuer, altbekannter Marvel-Gladiatoren: Als Gegengewicht zu den seriöseren Helden fädelt sich die „Guardians Of The Galaxy“-Crew ein (stilsicher unterlegt mit dem 70er-Soul-Klassiker „Rubberband Man“ von „The Spinners“). Sie sind, wie es sich für diesen Ableger gehört, für die Mumpitz-Auftritte zuständig, ­haben aber auch einen tragischen Todesfall zu verkraften, der Wagnerianern aus dem „Ring“ bekannt vorkommen dürfte. Und wer gerade erst begeistert aus „Black Panther“ gekommen ist, kann sich hier auf den nächsten Abstecher ins afrofuturistische Fantasialand Wakanda machen. Das Ende ist nah am Ende? Von wegen. Fortsetzung folgt, in einem Jahr.

Avengers: Infinity War USA, 2018, 149 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Anthony und Joe Russo, Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Hemsworth, Josh Brolin, Benedict Cumberbatch, Scarlett Johansson, Chadwick Boseman, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, UCI Mundsburg/Othmarschen-Park/Wandsbek, Savoy (OF)