Vor zehn Jahren rannte die Berliner Band Jennifer Rostock „Ins Offene Messer“ mit dem so betitelten Debütalbum, und seitdem hat sich der Fünfer zu einer der erfolgreichsten deutschen Popbands entwickelt. Und zu einer der rätselhaftesten. Haltung war und ist Jennifer Weist, Joe Walter, Alex Voigt, Christoph Deckert und Baku Kohl immer wichtig gewesen, gezeigt mit Statements, Clips und Kommentaren gegen Nazis und Populisten, Grauzonenbands und Machos – was vom Boulevard gern mit freizügigen Fotos von Weist aus ihrem ergiebigen Instagram-Account begleitet wurde.

Jennifer Rostock mag es wilder, die Band pflegt den Punk-’n’-Roll-Look, hat Tausende Euro bei Tätowierern gelassen, eckt gern und oft an – ist aber musikalisch in der gleichen verklebten Pop-Ecke hängengeblieben wie Juli, Silbermond, MIA. oder Luxuslärm. Ein bisschen Rock, etwas Electro, Glam, Pop – einmal alles mit komplett, bis keine Zutat, kein Geschmack mehr dominiert. Zu süß. Musikvideos von Jennifer Rostock sehen immer aus, als liefe auf der Tonspur ein anderer Sender.

Aber „Es war nicht alles schlecht“: Live wenn Songs der Alben „Schlaflos“ und „Genau in diesem Ton“ (2016) zum Leben erweckt werden, sind „Hengstin“, „Wir waren hier“, „Kopf oder Zahl“ oder „Feuer“ ein ganz anderer Schnack. Alle Zügel werden losgelassen, die Ketten abgeworfen, die Leinen abgeschüttelt. Weist macht ihre Posen-Gymnastik, und die Jungs spielen um ihr Leben. Mehr Energie, mehr Schweiß, mehr Emotion, direkt und ungefiltert in die Kabel geschickt – Jennifer Rostock war nicht die erste Band, die live eine andere Persönlichkeit präsentiert als auf Tonträgern.

Warum „war“? Wie viele Bands vorher ist Jennifer Rostock an einem Punkt angelangt, an dem sie eine Pause einlegen möchte, um getrennte Wege zu gehen und Neues auszuprobieren. Am 13. Mai steigt in Berlin das – vorerst – finale Konzert, Hamburg darf am 21. April in der Sporthalle Adieu sagen.

Jennifer Rostock Sa 21.4., 20 Uhr, Sporthalle, Krochmannstraße 55, Karten zu 42,75 Euro im Vorverkauf