Der Skandalfilm des Jahres kommt endlich auch in unsere Kinos! Hier ist nicht die Rede von „Fifty Shades Of Grey“ oder etwa dem Berlinale-Gewinner „Touch Me Not“. Es geht um die erste Kinoadaption des mehr als 100 Jahre alten Kinderbuch-Klassikers „Die Geschichte von Peter Hase“. Die britische Autorin Beatrix Potter erzählt in ihm von Peter, einem sprechenden Hasen. Er bricht gegen das ausdrückliche Gebot seiner Mutter in den Garten des grimmigen Mr. McGregor ein, der einst Vater Hase zu Pastete verarbeitet hat. Der Junge überfrisst sich reichlich am verbotenen Gemüse und kann nur knapp vor Mr. McGregor fliehen. Der Charme von Potters Buch lag vor allem in ihren selbst gezeichneten Illustrationen, die schon zu Lebzeiten der Autorin ein florierendes Geschäft mit allerlei Merchandising einbrachten.

Das Mienenspiel der animierten Figuren ist beachtlich gut gelungen

Die Produzenten von „Stuart Little“ und Regisseur Will Gluck haben „Peter Hase“ nun als Mischung aus 3-D-Animation und Realfilm realisiert. Die augenfällige Niedlichkeit von Potters Originalen wurde in eine hyperrealistische Charakterzeichnung von Peter und seinen Artgenossen überführt. Ihr wohl beeindruckendstes Merkmal ist ein komplexes Mienenspiel, wie man es bislang nur von Menschen zu kennen glaubte. Und das bekommt einiges zu tun. Zunächst stirbt Mr. McGregor (Sam Neill) vor Peters Augen. Auf Betroffenheit und das Gefühl der Freiheit folgt die Eifersucht auf McGregors Neffen Thomas (Domhnall Gleeson). Der Londoner hasst das Landleben. Auf Peter „und anderes Ungeziefer“ macht er Jagd. Doch dann verliebt er sich ausgerechnet in seine Nachbarin Bea ­(Rose Byrne), eine glücklose Malerin und große Tierfreundin, die für den Waisenhasen Peter zum Elternersatz wurde.

Zum Skandal wurde allerdings nicht diese sehr freie und von originellen Details nur so strotzende Neu-Interpretation der klassischen Vorlage. Es geht um Brombeeren. Gegen die ist Thomas McGregor hochgradig allergisch. Als Peter und seine Schwestern ihm im Kampf um Leben und Tod gegenüberstehen, trifft ihn eine heimtückisch katapultierte Brombeere in den Mund. Thomas erleidet einen Anfall und kann sich gerade noch das rettende Anti-Allergikum injizieren. Ein Allergiker-Verband in den USA sah darin eine fahrlässige Verharmlosung und forderte zum Boykott des Films auf, bevor Kinder auf die Idee kommen, Allergien anderer Kinder böswillig auszunutzen. Der verantwortliche Sony-Konzern entschuldigte sich offiziell und riet allen Eltern dringend, mit ihren Kindern über die Gefahren von Allergien zu sprechen.

Der Protest erstaunt, weil in der entsprechenden Szene von einer Verharmlosung von Allergien nicht die Rede sein kann. Anlass zur Diskussion bietet der Fall aber durchaus. Man könnte sich zum Beispiel fragen, ob oder warum Kinder und auch viele Erwachsene tatsächlich immer weniger in der Lage sind, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden. Und ob sich ein Film wie „Peter Hase“ wirklich für die anvisierte Zielgruppe (freigegeben ab 0 Jahren) eignet oder ob in diesem mitunter drastischen, durchpsychologisierten Action-Drama eher die Bedürfnisse erwachsener Zuschauer befriedigt werden.

„Peter Hase“ Großbritannien/Australien/USA 2018, 95 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Will Gluck, Darsteller: Rose Byrne, Sam Neill, Domhnall Gleeson, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Koralle, UCI Mundsburg/Othmarschen Park/Wandsbek