Vier Minuten können ganz schön lang sein. Vor dem Photoautomaten am Schlachthof dauern sie fast eine halbe Ewigkeit ...

Hamburg. So kommt es Jana und Lisa jedenfalls vor. War da nicht gerade dieses Rattern, das die Entwicklung des auf Papier gebannten Augenblicks ankündigt? Jana presst ihr Ohr gegen das schmutzigweiße Metall. "Da kommt was", sagt Lisa heiser. Tatsächlich schiebt sich der Fotostreifen aus der Maschine. Unendlich langsam und - das war klar - mit der Rückseite zuoberst.

Piercing hin, Coolness her - die Mädels stehen unter Spannung. So, jetzt alle anderen mal wegsehen. "Nein", stöhnt Lisa, "da gucke ich ja blöd." Ansonsten sind die beiden sehr zufrieden: viermal Freundinnen-Liebe in Schwarz-Weiß, blond und dunkel. Erinnerungsfotos vor dem Umzug nach Berlin. "Man sieht irgendwie immer gut aus auf diesen Fotos", sagt Jana noch. Sie wirkt vor allem viel braver. Dann geht es wieder los auf die Piste.

Fahles Licht erhellt den gepflasterten Platz, auf dem der Automat darauf wartet, die nächsten Abschüsse machen zu dürfen. Das Prinzip ist einfach: Vorhang auf, ratsch. Hinsetzen. Vorhang zu, ratsch. Hocker auf die richtige Sitzhöhe drehen. Zwei Euro in den Geldschlitz. Grinsen, Grimassen, Küsschen. "Mist, warum passiert denn nichts?" Dann blitzt es, einmal, zweimal, dreimal, viermal. Fertig. Draußen stehen sie Schlange. Spätestens seit dem Film "Die fabelhafte Welt der Amélie" weiß jeder: So ein Apparat birgt ein Geheimnis.

Der Automat hat Kultstatus in Hamburg. Nach einer durchzechten Nacht, einem Konzert im Knust, auf der Meile vom Karoviertel in die Schanze ist der Fotostopp vor dem Schlachthof inzwischen ein Fluchtpunkt. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es sich nicht um einen Passbildautomaten handelt. Der Photoautomat ist Kunst; erfunden von Kameramann Asger Doenst und Drehbuchautor Ole Kretschmann. In Berlin haben sie 2004 die ersten Automaten aufgestellt. Den Durchbruch brachte die Documenta 2007 in Kassel. "Die Leute lieben es, dass die Fotos echt und von guter Qualität sind", sagt Doenst. "Und man lacht hinterher oft darüber." Das Besondere in Zeiten digitalen Schnelllöschens: Das Foto lässt sich nicht korrigieren. Inzwischen gibt es zehn Photoautomaten in Berlin, auch in Köln, Dresden, Paris und London steht je so ein aufwendig aufgearbeiteter Automat aus den 60er- und 70er-Jahren. Tatsächlich bringt das Drumherum den Kick. Syri, IT-Expertin, kommt zum Beispiel oft mit Freunden nach Konzerten im Uebel & Gefährlich zu dem "Retro-Teil". Auf ihrer Viererserie ist einmal nur der halbe Kopf, mal ist sie mit, mal ohne Mütze zu sehen. "Das bekommt meine Freundin", sagt sie. "Es ist die perfekte Erinnerung."

Es gibt auch echte Sammler wie Maren und Oliver. Die beiden sind quasi Stammkunden. In die Kabine, Fotos machen, auf das Ergebnis warten. Jedes Mal ein kleines Wunder. Der Kick ist schnell und günstig. "Man fühlt sich nicht beobachtet darin", sagt Maren und wedelt das Papier trocken. "Ich finde", sagt sie, bevor die Schanzennacht sie verschluckt, "auf den Fotos kommt immer das Wesentliche eines Menschen raus."

Erlebnis

Photoautomat an der Feldstraße (auf dem Gelände der alten Rinderschlachterei), Neuer Kamp 32, 20357 Hamburg

Preis: 2 Euro für vier Bilder.

ÖPNV: U 3, Haltestelle Feldstraße.

Geeignet für alle besten Freundinnen, Grimassenschneider und Feierwütigen, die einen großartigen Abend oder Hamburg-Besuch schwarz auf weiß festhalten wollen .