Das Kavaliershaus in Fincken in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Gebäude mit Historie - und das sollen auch die Gäste spüren

Die Anfahrt von Hamburg zu diesem Kleinod ist denkbar einfach. Zunächst die A 24 bis Wittstock, dann die A 19 bis zur nächsten Ausfahrt. Nun sind es nur noch zwei Kilometer in das inmitten weiter Felder liegende Dorf Fincken, das aus dem Mittelalter nach den drei Burgen "To Den Vincken" benannt ist. An der Dorfstraße liegt das lang gestreckte Kavaliershaus, ein Suitehotel mit weitläufigem Grundstück und dahinter einem kleinen See.

Zufällig ist Lena Nalbach, die Tochter des Architektenehepaares, dem dieses Haus gehört, zu Besuch. Sie selbst hat die Umgestaltung ein halbes Jahr lang geleitet. Schon beim Betreten des Frühstücksraumes merkt der Gast, dass hier Könner am Werk sind. Mit Gespür für Form, Farbe und Gestaltung wurde das Haus zur charmanten Herberge umgewandelt. Neugierig geworden, lasse ich mir alle Räumlichkeiten zeigen, was an diesem Morgen möglich ist, weil die anderen Gäste erst am Nachmittag anreisen. So erfahre ich auch viel über das Gebäude.

Das Kavaliershaus wurde für die Angestellten des nebenan gelegenen Schlosses 1801 von der Familie von Blücher errichtet. Das Schloss gehört heute einer Investorengruppe und wird zum Kummer der Dorfeinwohner nicht genutzt. Dafür ist das Kavaliershaus in neuem Glanz auferstanden. Während es nach dem Zweiten Weltkrieg Flüchtlingslager und Krankenhaus gewesen ist, befand sich darin bis in die 80er-Jahre die örtliche Schule. Deshalb finden sich in fast allen Räumen Reminiszenzen aus dieser Zeit, zum Beispiel Schulkarten aus verschiedenen Unterrichtsfächern. Andere Gegenstände wie Kinderstühle und -liegen, ein Schaukelpferd und Schreibpulte sind dekorativ auf die Zimmern verteilt. Originell sind auch die Schiefertafeln im Flur neben den Zimmertüren, auf denen mit Kreide die Namen der Gäste stehen.

"Damit wollen wir einen Teil der Geschichte aufrechterhalten und erlebbar machen", erklärt Lena. Im ehemaligen künstlerischen Werkraum befinden sich jetzt Saunabereich und Fitnessraum, bestückt mit altem Turngerät. Man könnte Übungen an Pferd und Barren machen oder über den von mir so ungeliebten Bock springen. "Die Absicht dahinter ist aber auch, das Ganze ein wenig zu persiflieren", gibt sie zu.

Die Stütz- und Deckenbalken, die sich durch den ehemaligen Fachwerkbau ziehen, sind für die ländliche Atmosphäre sehr bestimmend. Bei der Restaurierung wurden auch Putzmalereien freigelegt und der Holzfußboden von Spanplatten und Linoleum befreit. So bekam das alte Haus seinen Charakter zurück, ein besonderes Anliegen der Eigentümer.

Die Inhaberin Johanne Nalbach hat Architektur studiert und sich mit ihrem Mann, der bereits mit 28 Jahren eine Professur bekam, einen Namen gemacht. Nachdem die beiden nach der Wende den städtebaulichen Wettbewerb zur Bebauung der Friedrichstraße in Berlin gewonnen hatten, waren sie verantwortlich für viele Hotelbauten insbesondere der Art'otel-Kette.

"Jeder Ort hat seine Antwort, es muss ein Dialog entstehen", sagt Johanne Nalbach. Und liefert sogleich die Erklärung in diesem Fall: "Das Kavaliershaus war gräfliches Anwesen und Schule. Beides mit modernen Elementen zu kombinieren, sah ich als Herausforderung." Die Immobilie hat sie in einem Auktionskatalog gesehen und telefonisch ersteigert. "Anhand der Fotos habe ich die Qualität der historischen Architektur erkannt", erzählt sie. Der Erwerb fand 2008 statt, im Sommer 2010 wurde das Kavaliershaus eröffnet. Der Umbau, bei dem ausschließlich einheimische Handwerker beschäftigt wurden, hat ihr viel Spaß gemacht, "weil ich alles langsam wachsen sah, während Auftragsarbeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein müssen und der Kostendruck oftmals zu Änderungen zwingt, die das Ergebnis anders aussehen lassen, als es mal geplant war", erklärt die erfolgreiche Unternehmerin. Dies ist nach dem Seehotel in Nakensdorf bereits ihr zweites Hotel. "Das Geheimnis ist, dass wir mit viel Herz vorgehen und nicht nur an den wirtschaftlichen Aspekt denken", versichert sie glaubwürdig, "man kann vieles kopieren, aber nicht die Seele."

In den zwölf Suiten herrscht ein topmoderner Stil vor. Alle sind individuell nach den Ideen der Inhaberin gestaltet und eingerichtet. Sie liebt das Wechselspiel aus Alt und Neu und ergänzt es mit eigenen Kreationen und Designermöbeln.

+++ Ab 50 Euro pro Nacht +++

Jedes Zimmer ist nach Themen gestaltet, die sich an mecklenburgischen Künstlern orientieren, wie zum Beispiel Bilder von Caspar David Friedrich, die sich als Textildruck im Bad und an der Bettrückwand wiederfinden. In anderen gibt es ausgewählte Texte des Schriftstellers Uwe Johnson, eine Wand der Uecker-Suite zieren Hammer und Nagel, Werkzeuge des Objektkünstlers, und Otto Lilienthal wurde mit Zeichnungen zum Thema Fliegen verewigt.

Der See mit Badesteg ist nur einen Steinwurf entfernt, hier liegt ein Ruderboot vertäut. Auch Angeln ist möglich, und ein Spaziergang führt durch einen kleinen Park mit interessanten Baumarten, wie einer mexikanischen Spitzblattbuche und einer Zerreiche. Die nahe gelegene Kirche und das Mausoleum lohnen einen Besuch. Fahrräder zur Erkundung der weiteren Umgebung stehen den Gästen kostenlos zur Verfügung. In einer der alten Schul-Kladden, die hier als Gästebücher genutzt werden, lese ich folgende Eintragung: "Schön ist es hier, deswegen kommen wir auch wieder." Ich auch. Bestimmt.

+++ Alle kleinen Fluchten zum Nachlkesen in einer interaktiven Karte +++