Hier geht der neue Direktor in die Offensive - und auf die Stammgäste von früher zu.

Es war über Jahrzehnte ein klassisches Hideaway, vor allem für Hamburger, die es ohnehin gern nach Timmendorf zieht. Obwohl es sich als Hotel unter dem Namen "Landhaus Carstens" erst seit 1975 einen Namen gemacht hat, haben Hanseaten dort gefühlte hundert Jahre lang stilvoll gespeist, sich in aller Ruhe erholt und mit ihren Freunden gefeiert.

Dann aber, vor fünf, sechs Jahren, begann das Haus zu schwächeln, zu kriseln, sich allzu oft neu zu erfinden. Immer andere Köche und Hoteldirektoren, die vermutlich den Geist des Hauses nie wirklich kennenlernen wollten, liefen mit immer neuen Philosophien einem Zeitgeist hinterher, der meistens schon überholt war, bevor sie ihn richtig etablieren konnten. Viele Stammgäste jedenfalls, die zuvor die solide und gediegene Atmosphäre geschätzt und getragen hatten, waren verwirrt und zogen sich zurück. Eine neue Klientel, womöglich eher an Sylt oder an den schickeren Adressen von Timmendorf orientiert, konnte sie nicht ersetzen. Jetzt aber ist die Zeit gekommen, wieder nach dem Rechten zu sehen.

Direktor Oliver Beigel, früher Chef im renommierten "Töpferhaus" am Bistensee, und sein junger Küchenchef Konstantin Schulze Pellengahr haben seit einem Jahr behutsam und dennoch deutlich erkennbar den Staub und vor allem die Fehler ihrer Vorgänger aus dem Haus gepustet. Nicht mit wilden Wechselspielchen wollen sie zu alter Qualität und Kontinuität zurück, sondern, so die Perspektive des neuen Teams: "Wir geben dem Haus ganz einfach Zeit."

Gerade ist die Hälfte aller Zimmer - insgesamt 32, davon 22 im "alten" Haus an der Seepromenade und die anderen in einer moderneren Dependance gegenüber - renoviert und zeitgemäß ausgestattet worden: mit hellem Mobiliar, mit Vorhängen und Bettdecken von JAB Anstoetz in freundlich-mediterranen Farben, mit hochwertigen Balkon- und Terrassenmöbeln und mit Flachbildschirmen. Der englisch orientierte Landhausstil, der die Gäste bereits in der Rezeption mit Sofa und freundlichem Ambiente begrüßt, blieb erhalten.

Es macht wieder Spaß, im neuen, alten "Landhaus Carstens" für eine gepflegte Auszeit einzuchecken. Auf dem Frühstückstisch informiert ein Guten-Morgen-Brief über das Wetter, ein paar Neuigkeiten aus der weiten Welt und über die Aussichten zum Abendessen. Chefkoch Schulze Pellengahr hat zwar bei so berühmten Kollegen wie Lothar Eiermann gearbeitet, weiß aber, dass er die Gäste vor allem mit norddeutscher Qualitätsküche und mit saisonalen und regionalen Produkten überzeugen kann. Im Wochenturnus wechselt er die Karte, setzt auf frischen Fisch aus der Ostsee, auf Holsteiner Rind und in diesen Tagen natürlich auf Spargel und Maischolle.

Wer den Nachmittag am Strand oder auf einer der beiden schönen Hotelterrassen weit weg vom Timmendorfer Trubel verträumt hat, wird die Zeit bis zum Abendessen vielleicht bei hausgemachtem Kuchen in der klubähnlichen Kamin-Lounge überbrücken wollen, very british, oder ein paar Runden im nobel dekorierten und chlorfreien Pool schwimmen.

Er ist, neben Sauna und Whirlpool, das Herz eines Wellnessbereichs, der, wie alle anderen Ressorts im Hause, weitgehend Bewährtes bietet. Nicht modisches Lomi-Lomi oder Ayurveda stehen auf dem Programm, sondern Beauty- und Massage-Anwendungen, wie sie die vorwiegend gut situierten Gäste im reiferen Alter ebenso schätzen wie die jungen Familien, die Oliver Beigel und sein fröhliches Team mit zunehmendem Erfolg ansprechen.

Schade nur, dass das "Alte Brauhaus 1770" seinem Namen als rustikale Bierstube und Kontrast zum gemütlich-feinen Speisesaal nicht mehr gerecht wird. Dort bleiben die Lichter und die Zapfhähne bis auf Weiteres ausgeschaltet. Beigel will stattdessen ein zweites Restaurant und eine Bar etablieren. Und wie er dabei vorgeht, nämlich peu à peu, so kommen auch die alten Stammgäste wieder. Höchstes Lob aus dieser Gruppe: "Die Richtung stimmt wieder."