Das Haus verkörpert trotzig das alte Großbürgertum - und es gibt Gäste, die sich in diesem Ambiente besonders wohlfühlen.

Der Leibarzt von Adolf Hitler hatte seine Praxisräume in einem der zwei Gebäude, die heute zum Hotel gehören. Hier ließ sich der Diktator auf Herz und Nieren prüfen. Gern erzählt Inhaberin Danuta Lippoth das nicht, aber: "Es gehört nun mal zur Geschichte der beiden Häuser." Sie liegen über Eck, das eine mit Portal zum Kurfürstendamm, das andere in der vornehmen Fasanenstraße, der letzten großbürgerlichen Fassadenpracht im Westen der Hauptstadt, mit einer pompösen Freitreppe, auf der sich ein roter Teppich spannt. Gleich nebenan steht das beliebte Literaturhaus, fünf Minuten entfernt der Bahnhof Zoo, zehn Minuten bis zum KaDeWe. Eine Spitzenlage.

Das Ensemble aus der Gründerzeit, zu den Olympischen Spielen 1936 eröffnet, birgt klare Vorgaben. Fast vier Meter hohe Räume, breite Türen, hohe Fenster und sich weit ziehende Seitenflügel. "Die Damen, die hier wohnten, liefen in breiten Kleidern herum, sie brauchten Platz", sagt Danuta Lippoth. Die gebürtige Polin, die seit 1966 in Berlin lebt und das "Augusta", das einer Immobilienfirma gehört, 1985 als Pächterin übernahm, hat sich mit der Geschichte befasst. Am 1. Oktober ist sie 25 Jahre Hotelière, "da feiere ich meine Silberhochzeit mit dem Hotel". Die Gebäude, in dem es untergebracht ist - mit zwei Fahrstühlen und begrüntem Hof -, waren Großbürgeradressen. "Es gab Boten- und Personaleingänge, die Dienstleister durften nicht dieselben Türen benutzen wie die Herrschaften", so Lippoth.

46 Zimmer und Suiten hat das "Augusta", und Stammkunden wissen genau, in welchen Raum sie wollen. Die Chefin zeigt ein Zimmer mit Balkon, "im Laura-Ashley-Stil". Viele Blumen und Pflanzen, im Bad in der Vase, aber auch auf der Bettüberdecke, an den Seidentapeten und den schweren Vorhängen. "Die Fasanenstraße ist Einbahnstraße, zu bestimmten Tageszeiten ist kaum Verkehr." Dann sitzt ein Paar auf dem Balkon, der Ahornbaum davor reicht seine Äste, die im Sommer blühen, fast hinein, und die beiden trinken eine Flasche Wein und erfreuen sich am Ambiente. "Wir haben Gäste, die nur wegen dieser Atmosphäre zu uns kommen", so Lippoth.

Fast jedes Zimmer hat einen anderen Grundriss und eine andere Größe. Manche mit Balkon oder Terrasse, eine Suite mit Whirlpool, andere mit Physiotherm-Infrarotkabinen, die mit sanfter Wärme ab 30 Grad, dem Duft ätherischer Öle und das vegetative Nervensystem beruhigender Musik für neue Lebensenergie nach einem anstrengenden Tag sorgen. Die edle Holzkabine mit Glasummantelung dient der Entspannung, löst Muskeln, lindert Rückenschmerzen und soll sogar das Immunsystem stärken. So richtig wollen die Regenerierungsbehälter nicht ins Biedermeier-Ambiente mit Stuck und Putten passen, aber Danuta Lippoth hört von ihren Gästen, dass denen die Kabine mit Platz für zwei gefällt. Gefällig ist auch die Idee mit dem Wasser in den Bädern, das nicht aus dem Hahnloch sprudelt, sondern über den Hahn in einer Rinne herabfließt. Ebenso die Regenduschen. "Man muss sich heute etwas einfallen lassen, die Gäste sind verwöhnt", kommentiert die Betreiberin.

Dazu gehört für sie die Stärkung des Service. 17 Mitarbeiter hat sie, und den Azubis wird beigebracht, "dass sie nicht unpersönlich auftreten sollen". Beherbergung heißt: Verbindlichkeit. Dazu gehört selbstverständlich auch ein Nachtportier. Dazu gehören weiter Klimageräte, die in heißen Sommern zum Einsatz kommen. Auch mit Rosen geschmückte Betten für Verliebte, Zimmer speziell für Allergiker und die Erfüllung von Sonderwünschen. "Bei unseren Stammgästen wissen wir, welche Kopfkissen sie wollen, dass sie freie Parkvignetten schätzen und dass es für die meisten wichtig ist, den Kaffee nicht aus der Maschine oder gar abgestanden aus der Kanne, sondern frisch gemahlen zu bekommen", erklärt die Gastgeberin, die mit ihrer freundlichen, souveränen Art für den Job prädestiniert ist. Eine der beiden Töchter ist auch schon mit im Geschäft. Julia Lippoth könnte den familiär geführten Betrieb einmal weiterführen.

Ins "Augusta" geht man zum Entspannen zwischen Sightseeingtouren und Besuchen von Veranstaltungen. Die Lage des Hotels ist sein bestes Argument. Und dass es, im überladenen Biedermeier, ein bisschen schwülstig daherkommt, ist genau das, was eine bestimmte Klientel sucht. Darunter Paare, die nach dem Nachtleben gemütlichen Plüsch zu schätzen wissen. Seit einiger Zeit kommen viele italienische Gäste, wohl durch Mundpropaganda. "Daran mussten wir uns gewöhnen", gibt Danuta Lippoth zu. "Kommen fünf Italiener ins Haus, tun sie es mit dem Lärmpegel von hundert! Aber fröhliche Leute sind uns willkommen."

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