Es ist der berühmteste Film, der nie gedreht wurde. Als vor genau 90 Jahren, am 31. August 1928, Brechts „Dreigroschenoper“ in Berlin uraufgeführt wurde, entpuppte sie sich bald als Bühnenhit. Und Kurt Weills Songs pfiff man auf der Straße. Schnell kam die Idee einer Verfilmung auf. Der Tonfilm war gerade geboren. Und Brecht war Feuer und Flamme.

„Die Dreigroschenoper ist ein Versuch, der völligen Verblödung der Oper entgegenzuwirken“, hatte der Dramatiker nach der Uraufführung getönt. Ähnliches hatte er nun auch mit seinem „Dreigroschenfilm“ vor, der dem Kitsch im Kino etwas radikal Neues und Politisches entgegensetzen sollte.

Die Produktionsfirma hatte aber nur eine rasche Ausschlachtung des Stücks im Sinn und wollte die Adaption sogar noch von allzu zotigen Songs und politischen Bezügen bereinigen. So kam es immer wieder zum Krach, bis Brecht ausstieg und die Produktionsfirma verklagte. Brecht wusste, dass er scheitern würde. Aber er inszenierte damit quasi die Realität zu einem Lehrstück über Kunst, Urheberschaft und was sie wert war in Zeiten ihrer technischen Reproduzierbarkeit.

Regisseur Lang hat über Brecht schon seine Magisterarbeit geschrieben

Der Film wurde weitergedreht, eine bloße Abfilmung des Bühnenstücks. Brecht gestand man aber das Recht an einem eigenen „Dreigroschenfilm“ zu – den er jedoch nicht mehr realisieren konnte, als er vor den Nazis fliehen musste. Es bliebt das Exposé. Und ein „Dreigroschenroman“. Nun hat sich, pünktlich zum Dreigroschenjubiläum, ein Regisseur noch einmal an dieses Filmprojekt gemacht. Aber mit „Mackie Messer – Der Dreigroschenfilm“ will Joachim A. Lang noch weit mehr.

Nämlich gleich dreierlei: den „Dreigroschenfilm“ drehen, wie ihn Brecht im Kopf hatte. Dann aber auch die Geschichte des gescheiterten Filmprojekts erzählen. Und ganz nebenbei noch Brechts Kunstverständnis aufschlüsseln. Das ist ein bisschen viel für zwei Filmstunden. Daran hätten auch routinierte Regisseure scheitern können. Lang ist nicht mal das. Zwar ist er ein erwiesener Brecht-Experte, der über den Mann schon seine Magisterarbeit geschrieben und später den Dokumentarfilm „Brecht – Die Kunst zu leben“ gedreht hat. Mit dem berührenden Fernsehfilm „George“, in dem Götz George seinen Vater Heinrich spielte, hat Lang auch schon vom Theater und von den Nazis erzählt. Aber im Kino war er bislang nicht verortet.

Und dann die Überraschung: Mit „Mackie Messer“ erreicht er nicht nur all seine Ziele, ihm gelingt auch noch ein großartiger und zugleich hochintelligenter Film. Wie in Brechts Epischem Theater mit seinem Verfremdungs-, ergo V-Effekt sehen wir immer wieder Spielszenen des Films, die aber dauernd unterbrochen werden, wenn Brecht den meuternden Schauspielern sagen muss, wie sie zu spielen haben, oder den Produzenten seinen Film erklären will. Zunehmend ergeben sich starke Parallelen zwischen Spiel und Realität, wenn sich mehrere Frauen auf der Bühne um Mackeath und dahinter um Brecht streiten. Und wenn Mackie am Ende der Prozess gemacht wird – und seinem Autor auch. Ein lustvolles Spiel mit den Ebenen.

Geadelt wird das Ganze durch ein spiel- und singwütiges Team voller Stars, die hier alle mal kräftig gegen den Strich besetzt sind: Tobias Moretti und Claudia Michelsen, Joachim Król und Hannah Herzsprung. Und Robert Stadlober, der als Weill gar nicht wiederzuerkennen ist. Vor allem aber Lars Eidinger als Brecht im Ledermantel, der ein mackeathsches Haifischgrinsen auflegt und sich in seine Zigarre mehr verbeißt, als dass er an ihr schmaucht.

Das ist ganz großes Kino. Das seine Theaterherkunft nie verleugnet. Das vor Ideen schier birst. Und nebenbei viel erzählt über die Zensur von Kunst und einen erstarkenden Rechtsradikalismus. Was sich beides erschreckend aktuell ansieht.

„Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ Deutschland/Belgien 2018, 130 Minuten, ab 6 Jahrne, Regie Joachim A. Lang, Darsteller: Lars Eidinger, Robert Stadlober, Hannah Herzsprung, täglich im Abaton, Blankeneser, Koralle