Im Theater fühlt sich Michael Prelle wie zu Hause. Am großen Schauspielhaus sei die Atmosphäre am Ende für ihn auch „familiär“ gewesen“. Dort gehörte er schon in der 70er-Jahren und erneut seit 2005 zum Ensemble. Seit Sommer ist Michael Prelle altersbedingt nur noch Gast, das ermöglicht dem 66-Jährigen ein Engagement am St. Pauli Theater. „Hier ist die Atmosphäre noch familiärer“, sagt Prelle mit seiner sonoren Stimme beim Kaffee in einem Raum unter dem Dach.

Ein Familienoberhaupt, mithin die Titelrolle, spielt Prelle in der deutschen Erstaufführung von „Monsieur Claude und seine Töchter“. Um 18.10 Uhr müsse er in die Maske, erzählt Prelle und sinniert am ersten Hauptprobentag darüber, dass es auf dem Kiez kaum noch deutsche Restaurants gebe. Das Multikulturelle ist Thema des Stücks, das auf der französischen Filmkomödie basiert. „Monsieur Claude und seine Töchter“ sahen 2014 in Frankreich zwölf Millionen Kinobesucher, in Deutschland vier Millionen.

„Ich habe den Film gar nicht gekannt, fand das Thema aber super“, erinnert sich Prelle an die Anfrage von Regisseur Ulrich Waller im Vorjahr. Und wie zufällig stieß Prelle nach dem ersten Gespräch über das Stück in einem Buchladen auf die DVD – obwohl er eigentlich ein Geburtstags­geschenk für seine Frau gesucht hatte.

Seitdem hat sich der Französisch sprechende Schauspieler in seine Rolle hineingearbeitet, bei und mit Waller einige Änderungen für das 14-köpfige Ensemble arrangiert. So wird etwa statt eines einfachen Rinderfilets auf St. Pauli ein ordentliches Chateaubriand aufgetischt. Nicht nur beim Essen geht es um Klischees.

Claudes Schwiegersohn Nummer vier stammt von der Elfenbeinküste

Zum Leidwesen des Familienvaters Claude, eines gut situierten Katholiken aus der Provinz, haben drei seiner vier Töchter Männer aus anderen Kulturkreisen geheiratet. Als die jüngste Tochter Laure die Heirat mit einem französischen Katholiken ankündigt, sind Claude und Gattin Marie erleichtert – zunächst. Doch der Schwiegersohn Nummer vier stammt von der Elfenbeinküste ...

„Das Multikulturelle ist in Frankreich ja noch ausgeprägter als bei uns“, sagt Prelle. Und ein zweiter Aspekt hat ihn am Stück gereizt: „Es ist die politische Unkorrektheit.“ Da verbündet sich etwa der jüdische Schwiegersohn mit dem arabischen, wenn es gegen den aus China stammenden geht – bis der schwarze kommt.

Auf die Rolle des Papas scheint Prelle abonniert. In diesem Winter ist er noch in Karin Henkels bei den Salzburger Festspielen gefeierter „Rose Bernd“-Inszenierung neben Lina Beckmann am Schauspielhaus zu erleben. In Hauptmanns Drama spielt er ihren bigotten Vater.

Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“, das der Hamburger im Frühjahr in Klagenfurt gespielt hat, ist für ihn ebenso wenig Programm wie die „Rentnercops“ (ARD): Die humoristische Krimiserie, in der Prelle den Kölner Polizeipräsidenten gibt, läuft 2018 als neue Staffel. Doch für Großvaterrollen ist es bei Michael Prelle noch zu früh – auch dank „Monsieur Claude“. Prelle hält es für ein „Stück zur richtigen Zeit“. Nicht nur in Frankreich mit dem Front National, auch bei uns mit der AfD im Bundestag. „Es gibt nichts Besseres, als über ein Thema wie Migration mitsamt Vorurteilen zu lachen“, so Prelle.

Die Kaffeetasse im St. Pauli Theater ist ausgetrunken, der Hunger latent vorhanden. „Ich gehe jetzt zum Vietnamesen“, sagt Prelle. Und lächelt.

„Monsieur Claude und seine Töchter“ Premiere Do 2.11., 19.30 Uhr, bis 3.12., St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 30, Karten zu 19,90 bis 59,90 Euro in HA-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, T. 30 30 98 98