„Märchen schreibt die Zeit / Immer wieder wahr“: Man muss nur die ersten fünf Takte des berühmten Titelsongs von „Die Schöne und das Biest“ anspielen, und schon läuft Millionen von Kindern – aktiven und ehemaligen – ein wohliger Schauer über den Rücken. Und ein ganzer Film spult sich ab. Der Disney-Trickklassiker von 1991. Dass das Ganze auf ein berühmtes Märchen von Gabrielle-Suzanne Barbot de Villeneuve zurückgeht und davor schon zigmal verfilmt wurde: geschenkt. Disney schafft es immer wieder, große Legenden so zu besetzen, dass viele Fans am Ende glauben, sie seien komplett in diesem Haus entstanden.

„Ewig wie die Zeit / Ewig und beredt“: Jetzt hat Disney seinen eigenen Klassiker noch einmal verfilmt. Als „Realfilm“. Oder, wie das in Fachchinesisch heißt, als „Life Action Movie“. Diesmal kommt also eine echte Schauspielerin dahin, wo sonst die Märchen enden, in ein Schloss mit Prinz. Und ein echter Schauspieler schwitzt unterm Bestienfell, weil ein Fluch nicht nur ihn zum Monster, sondern den ganzen Hofstaat in Hausrat verwandelt hat. Der nun alles dafür tun will, dass das Mädchen bleibt und sich in das Monster verliebt, um den Fluch zu beenden. „Real“ ist das trotzdem immer nur ein bisschen. Weil ganz viel nämlich am Computer getrickst wird.

Eine neue Masche, die Disney seit geraumer Zeit verfolgt. Wenn die neuen Animationsfilme nicht so recht zünden, erzählt man halt die alten Klassiker noch mal neu. Und „real“. Anfangs hat sich das Studio immerhin noch die Mühe gemacht, etwas Neues zu erzählen. „Alice im Wunderland“ (2010) war kein Remake, sondern eine Fortsetzung des alten Trickfilms, und „Maleficent“ (2014) erzählte die Geschichte von „Dornröschen“ überraschend aus der Perspektive der bösen Fee, die plötzlich gar nicht mehr so böse war. Bei „Cinderella“ (2015) und „Jungle Book“ (2016) hielt man sich dagegen enger ans Original. Und staffierte sie nur mit computergenerierten Effekten aus, vor allem beim „Dschungelbuch“, wo vermeintlich „echte“ Tiere (und weit grausamere als die niedlichen Strichfiguren) den Kick gaben.

„Wandel nur zu zweit / Eh’ es sich erschließt“: Das Problem diesmal ist, dass man „Die Schöne und das Biest“ nicht nur als einen der letzten echten alten Zeichentrickfilme kennt. Es war die erste Disney-Produktion, die auch zum Bühnenmusical mutierte. Und wo der ganze verwunschene Hausrat, der Kerzenleuchter, die Kaminuhr, die Teekanne, schon reale Menschen waren. In allerdings grandiosen Ding-Kostümen. Das machte einen der Hauptreize des Bühnenstücks aus. Und unterschied sich darin radikal vom Trickfilmspaß.

„Märchen schreibt die Zeit / In des Dichters Kleid ...“: Der Realfilm geht da wieder einen Schritt zurück. Natürlich ist es witzig, zu sehen, wie ein Kerzenleuchter ein Gesicht hat und Arme und Kopf entflammen kann, wie eine alte Uhr auf wackeligen Sockeln stapft oder die Teekanne sich rührend um ihr Tässchen-Filius kümmert. Aber sie bleiben eben nur künstlich generierte Objekte in der Ding-Welt. Und gehen nie so ans Herz wie echte Menschen. Da ist es beinahe Verschwendung, dass Stars wie Ewan McGregor den Lumière, Ian McKellen den Unruh und Emma Thomp­son die Madame Pottine spielen. Sie treten nur ganz kurz leibhaftig in Erscheinung und haben sonst nur die Vorlage für die Computer-Effekte gestellt.

Immerhin: Luke Evans sieht als fieser Gaston, der die Schöne unbedingt zur Frau haben will, fast eins zu eins so aus wie sein Alter Ego im Trickfilm. Und mit Emma Watson hat man sich an eine Belle gehalten, die nicht unbedingt ein Schönheitsideal verkörpert, die stattdessen Millionen von „Harry Potter“-Fans noch als Hermine bekannt ist. Und es jetzt wieder mit Zauberei zu tun bekommt. Dan Stevens als Prinz soll dagegen wohl eher die „Downton Abbey“-Fans ins Kino locken. Die Besetzung versammelt Stars aus lauter hocherfolgreichen Filmserien, vom „Hobbit“ bis zu „Star Wars“. Und Regisseur Bill Condon bringt auch noch „Twilight“ hinzu.

„Beide ohne Zwang / Die Schöne und das Biest“: Dennoch wirkt die Neuverfilmung über weite Strecken wie ein Déjà-vu. Okay, es gibt eine neue Nebenfigur. Sogar ein paar neue Lieder. Aber im Wesentlichen kennt man das alles. Sogar mit besseren Stimmen. Auf der Bühne wie im Trickfilm singen ausgebildete Musical-Sänger. Es ist immer schön, wenn Stars das bei Filmmusicals selber wagen. Aber es klingt halt nicht so gut. Und auch Thompson kommt nicht an Angela Lansbury heran, die ja auch nur eine brüchige, ältere Stimme hatte, aber damit eine ganze Kindergeneration verzauberte.

„Die Schöne und das Biest“ ist durchaus ein vergnüglicher Spaß für alle Kleinen, die den ’91er-Film noch gar nicht gesehen haben. Aber ein etwas wehmütiger Kinobesuch für alle, die den Zeichentrickfilm kennen. Und lieben. So ist die Realverfilmung am Ende nur ein altes Lied, das noch mal neu gesungen wurde.

„Die Schöne und das Biest“ USA 2016, 123 Minuten., ab 6 Jahren, Regie: Bill Condon, Darsteller: Emma Watson, Dan Stevens, Emma Thompson, täglich im Blankeneser, Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Passage, Savoy (OF), UCI Mundsburg/Othmarschen/ Wandsbek