Die Frauen auf seinen Bildern haben eine starke Präsenz. Meist sind sie nicht in sich gekehrt, aber trotzdem ganz bei sich. Sie heißen Thea, Wilma, Sesil oder Sarah, und manchmal erinnern sie an bekannte Motive aus der Kunstgeschichte, obwohl sie durchaus heutig anmuten. Pauline zum Beispiel, die Ralf-Rainer Odenwald 2015 als eine Art weiblichen „Wanderer über dem Nebelmeer“ ­gemalt hat.

Doch anders als bei Caspar David Friedrichs berühmten Gemälde aus der Hamburger Kunsthalle geht es hier nicht um eine religiöse Sinnsuche oder die Ehrfurcht vor einer symbolisch aufgeladenen Natur, sondern einfach um eine junge Frau, die auf einem Aussichtspunkt im Gebirge zu stehen scheint und die Weite der Landschaft auf sich wirken lässt. „Anmut und Zeit“ heißt die Ausstellung, die noch bis Ende Februar in der Galerie W zu sehen sind.

Odenwald wurde 1950 in Pforzheim geboren und absolvierte zunächst eine Goldschmiedelehre. Seine Anregungen holt er sich normalerweise weniger aus der Begegnung mit Kunst im Museum, sondern vor allem aus der modernen Medienwelt „Ich lebe auf dem Land. Das Internet ist mein Fenster zur Welt, das mir den Stoff bringt“, hat er einmal bekannt. In den sozialen Netzwerken geht der Künstler, der in den 1970er-Jahren an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste Schüler von Gotthard Graubner und Joseph Beuys war, auf die Suche nach Bildern, die ihm tausendmal begegnen, manchmal aber auch haften bleiben und zum Ausgangspunkt für etwas Neues werden. Das elektronische Foto ist nur Rohmaterial, es wird ausgedruckt, verändert, verfremdet und dabei in Malerei verwandelt. Und Odenwalds malerische Ausdrucksmöglichkeiten sind in der Tat beträchtlich, obwohl der fotografische Ursprung spürbar bleibt. Neben den Frauen, die in Odenwalds Werk seit Langem großen Raum einnehmen, sind in der aktuellen Ausstellung auch andere Motive zu sehen, „Köpfe“ etwa, die mitunter surreal und manchmal geradezu verzaubert erscheinen. Das passt ganz gut, denn der Galerist Wittus Witt (daher Galerie W) ist einerseits ein renommierter Zauberkünstler, zum anderen hat auch er ursprünglich Kunst studiert – wie Ralf-Rainer Odenwald an der HfbK bei Joseph Beuys.

1986 hatte Odenwald ein Arbeitsstipendium der Stadt Hamburg erhalten, später an den Fachhochschulen für Gestaltung in Darmstadt und Hamburg gelehrt. Heute lebt und arbeitet er jenseits der Großstadt in seinem Atelierhaus in Schafstedt in Dithmarschen.

Ralf-Rainer Odenwald: „Anmut und Zeit“ bis 28.2., mittwochs bis freitags von 14 bis 18 Uhr, sonntags 12 bis 18 Uhr, Galerie W, Mühlendamm 78-80