Dass Künstler, vor allem bundesweit gefragte Kleinkünstler, ihren neuen Programmen weit im Voraus möglichst markante Namen geben, ist hierzulande gang und gäbe.

Schließlich wollen emsige Veranstalter rechtzeitig für ihre Gastkünstler werben. Matthias Brodowy hatte den Titel für sein aktuelles Soloprogramm schon lange im Kopf, weist die Veranstalter aber bis heute schriftlich darauf hin, beim vierten Wort bloß nicht den Buchstaben L mit dem F zu vertauschen: „Gesellschaft mit beschränkter Haltung“, das Brodowy von diesem Mittwoch bis Sonnabend erstmals im Hamburger Schmidtchen spielt, hat es in doppelter Hinsicht in sich.

Sein neuntes Programm gilt als das bisher politischste Brodowys nach zwei Jahrzehnten als Solokünstler – ohne den Unterhaltungsaspekt zu vernachlässigen. Doch Musikkabarett, für das der ausgebildete Organist lange stand, spielt Brodowy nicht mehr, allenfalls „Kabarett mit Musik“, bei dem Letztgenannte nur noch ein Viertel ausmache. 2013 hat der inzwischen 44-Jährige die bisher letzte seiner 16 Auszeichnungen erhalten, den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Chanson (mit zwei Begleitmusikern). Parallel aber hatte er schon damals für das Solo „Kopfsalat“ seinen Mix aus Stand-up-Kabarett, Klavierspiel und Lesung verfeinert.

„Vertreter für gehobenen Blödsinn“ nennt sich der Vater zweier Kinder, 2003 „Jugend kulturell“-Förderpreisträger im Kabarett, bis heute. Doch die Zeit, die Gesellschaft, ist jetzt eine andere, schnelllebigere als vor 13 Jahren. Weil Brodowy mit offenen Augen durch die Welt geht oder – wie so viele Kollegen – oft Bahn fährt, widmet er sich mit seiner typisch anarchischen Note etwa dem „Homo Appiens“. Jener Spezies, die nur noch übers Smartphone gebeugt durch die Welt irrt.

„Wozu denken, wenn ein Algorithmus viel besser für mich entscheiden kann?“, fragt Brodowy ironisch. Aus Kants kategorischem Imperativ werde der obligatorische Konjunktiv: „Alles geht, nichts muss“, meint Brodowy. „Der Mensch hat sich der Maschine gebeugt“, bleibt er im Bild.

Er selbst, der Hannoveraner mit dem doppelten Zusatzmakel, in Braunschweig geboren und in Wolfsburg aufgewachsen zu sein, sei „voll in die Fänge der Hamburger geraten“, fügt Brodowy süffisant hinzu. Nicht nur, dass er immer wieder mal mit dem hiesigen Kabarettisten Detlef Wutschik und dessen populärer großer Klappmaulpuppe Wener Momsen auftritt. Mit Impro-Anarcho Rolf Claussen, einem der drei Söhne Hamburgs, hat Brodowy auch einen empathischen Regisseur gefunden, der ihm künstlerische Freiheiten lässt. Die genießt Brodowy zudem, wenn er in diesem Winterhalbjahr, wie vom 25. bis 28. Januar, erneut im Hansa Varieté Theater den Conferencier geben darf – zur Freude auch seiner Hamburger Agentin Jutta Jahnke

„Kabarett muss nicht zynisch sein, wichtig sind eigene Unzulänglichkeiten“, hat Matthias Brodowy schon vor einigen Jahren über seine Solotätigkeit philosophiert. Aufgebrachten Bürgern, speziell lautstarken aus dem Osten Deutschlands, entgegnet der Niedersachse heute: „Wir sind auch das Volk, und vor allem: Es ist unser Staat.“

„Gesellschaft mit beschränkter Haltung“ HH-Premiere Mi 7.12., 19 Uhr, dann Do 8.-Sa 10.12., jeweils 20 Uhr, Schmidtchen, Spielbudenplatz 21/22, Karten zu 20 bis 30 Euro unter T. 31 77 88 99