Was wäre, wenn Sie zur nächsten vollen Stunde das Radio anstellten und ein Nachrichtensprecher mit bemüht nüchterner Stimme sagen würde: Nach übereinstimmenden Meldungen der internationalen Agenturen sind heute zwölf unbekannte Flugobjekte auf der Erde gelandet. Sie wurden zeitgleich in zwölf über den Globus verteilten Regionen entdeckt. Die Regierung hat einen Krisenstab einberufen ...

Würden Sie den Fernseher anschalten? Würden Sie im Internet nach News suchen? Würden sie jemanden anrufen? Dr. Louise Banks (Amy Adams) macht von all dem nichts. Seit sie diese Träume von ihrer Tochter hat, die an einer seltenen Krebsart starb, ist die höchst renommierte Sprachwissenschaftlerin nicht mehr ganz von dieser Welt. Wie jeden Tag geht sie zur Arbeit, an die Universität. Sie nimmt nicht wahr, wie merkwürdig sich die Menschen auf ihrem Weg verhalten, auch dass sie ihre Vorlesung vor fast leeren Rängen beginnt, prallt an ihr ab. Erst als eine Studentin sie bittet, doch mal dringend den Fernseher einzuschalten, wird Banks aus ihrer Routine gerissen.

Wenig später steht Colonel Weber (Forest Whitaker) von der US-Army in ihrem Wohnzimmer. Er zückt ein Diktiergerät und spielt ihr Aufnahmen vor, die offenbar von den Außerirdischen stammen: Sie klingen nach Walgesängen und einer riesigen Dampfmaschine. „Wenn es um Übersetzungen geht, stehen Sie überall ganz oben auf der Liste“, raunt Weber und rekrutiert Banks kurzerhand für den Regierungsdienst. Widerstand ist zwecklos. In Zeiten postfaktischer Politik hat diese Geste, angesichts einer unvermuteten Herausforderung wirklich Sachverständige zu Rate zu ziehen, eine seltsam berührende, fast altmodische Qualität.

Gemeinsam mit dem nicht minder renommierten Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) wird Banks zu einem dieser außerirdischen Objekte geflogen. Banks und Donnelly sollen herausfinden, wo die Besucher herkommen und vor allem: was sie vorhaben. Die Zeit läuft gegen sie, denn weltweit beginnen die Menschen gegen die scheinbare Tatenlosigkeit ihrer Regierungen auf die Straße zu gehen. Die Militärs in Russland und China drängen darauf, den UFOs per Erstschlag präventive Schüsse vor den Bug zu setzen. Ein Klischee, das in Erinnerung ruft, dass „Arrival“ aus der Ära vor Donald Trump stammt, als man – zu Recht oder Unrecht – noch geneigt war, vernunftbegabte Politik eher im Weißen Haus zu verorten.

Von da an nimmt sich der Film, der auf einer Kurzgeschichte des US-amerikanischen Science-Fiction-Autors Ted Chiang basiert, bewundernswert viel Zeit, eine der faszinierendsten wissenschaftlichen Disziplinen zu beobachten: Die systematische Erforschung einer unbekannte Sprache. Um auch jene Zuschauer zu bannen, deren Interessen eher bei Action oder bei romantischen Regungen liegen, hat der kanadische Regisseur Denis Villeneuve eine Atmosphäre der konstanten Spannung erschaffen. Sie entsteht durch den regelmäßigen Wechsel der Perspektive: Hier das Kammerspiel im Inneren des UFOs, dort endlose flache Landschaften, aus denen heraus die gigantischen schwarzen Samenkörner, sie werden „Muscheln“ genannt, gen Himmel ragen. Hier das Ringen zweier Wissenschaftler um Fortschritt, dort die globale Krisenstimmung, auf der Kippe zum interstellaren Krieg.

Doch der heimliche Star von „Arrival“ ist nicht aus Fleisch und Blut, auch kein Effekt oder die beeindruckende Arbeit von Villeneuves Stamm-Szenenbildner Patrice Vermette. Er stammt aus Berlin und ist ein Musikstück, das sich als Leitmotiv durch den ganzen Film zieht. Komponiert hat es der in Berlin lebende Brite Max Richter. Sein Streichquartett „On The Nature Of Daylight“ erinnerte mit seiner überschaubaren Struktur und einer einfachen, wiegenden Melodie bereits bei seinem Erscheinen vor zwölf Jahren an klassische Filmthemen wie „Theme de Camille“ von Georges Delerue oder auch an John Williams Thema für „Schindlers Liste“. Kein Wunder, dass Martin Scorsese es dann 2010 im Abspann seines düsteren Thrillers „Shutter Island“ einsetzte. Und es ist ein Glück, dass sich Richter, angeblich nach langem Zögern, doch entschließen konnte, sein Stück ein weiteres Mal für einen Film freizugeben. Es erinnert den Zuschauer immer wieder an den emotionalen Kern der Geschichte, der in den Träumen von Dr. Louise Banks begraben liegt und uns auf die menschliche Existenz, auf unser Scheitern an den Grenzen von Raum und Zeit zurückwirft.

Man mag es als Fan von „Star Trek“ oder „Star Wars“ bedauern, dass hier einmal mehr im Geist von Andrei Tarkowskis „Solaris“ das Science-Fiction-Genre eher als Medium philosophischer Spekulationen herhält. Doch anders als es etwa Jodie Foster vor fast zwanzig Jahren in Robert Zemeckis „Contact“ erging, rutscht „Arrival“ nicht in eine sentimentale Ewigkeitsvertröstung ab. Villeneuve gestaltet seine Heldin als eine Frau, deren weiter Horizont und unbedingte Neugier gegenüber dem Unbekannten zur Rüstung wird, dank derer sie auch die größten persönlichen Schicksalsschläge zu überleben lernt, ohne sie zu verdrängen oder schlicht zu relativieren. Mit ihr an der Seite könnte man wohl beruhigt der ersten Ankunft außerirdischen Lebens auf unserem Planeten entgegensehen.

Arrival USA 2016, 116 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Denis Villeneuve, Darsteller: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor/Harburg, Savoy (OF), Studio, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek