„Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ ist ein Schulbuch, das man auf keinem gewöhnlichen Lehrplan findet. Es gehört zum Bildungskanon der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei, dessen berühmtester Schüler bekanntlich auf den Namen Harry Potter hört. Sein Autor ist der Wissenschaftler Newt Scamander, der – um wieder von der Fiktion ins Diesseits zu wechseln – von der Autorin J. K. Rowling erfunden wurde, der Schöpferin des gesamten Harry-Potter-Universums.

„Phantastischen Tierwesen“, das bereits im 1997 erschienenen „Harry Potter und der Stein der Weisen“ erwähnt wird, lag in Buchhandlungen zum ersten Mal 2001 zum Kauf aus, mit spärlichen 64 Seiten. In ihm findet sich eine alphabetische Auflistung aller Tier- und Zauberwesen, vom Acromantula bis zum Zentaur.

Was hübsch versponnen, aber gleichwohl trocken und eher unverfilmbar klingt, hat Drehbuchdebütantin J.K. Rowling nun einerseits als Inspirationsquelle eigenständiger neuer Abenteuer genutzt, die über fünf Jahrzehnte vor Harry Potters Geburt spielen. Andererseits macht sie den Autor von „Phantastische Tierwesen“ auch zum Protagonisten ihrer Geschichte, erzählt somit auch von der Grundlage seines Buches und dekomprimiert so das in einem „Schulbuch“ nun mal gesammelte Wissen früherer Generationen. Ein geradezu zauberhafter Trick, der umso besser funktioniert, weil das mit den Harry-Potter-Bänden erwachsen gewordene Publikum sich nun mit ebenfalls erwachsenen neuen Protagonisten identifizieren kann und gleichzeitig vom eigenen Wissen um deren Zukunft profitiert.

Alles beginnt 1926. Newt Scamander (ideal besetzt mit dem charismatischen britischen Schlitzohr Eddie Redmayne), ein Forschungsreisender und Experte für magische Tiere, landet in New York. Versehentlich vertauscht er seinen Koffer, der einer ganzen Herde magischer Tiere ein Zuhause bietet, mit dem Musterkoffer des passionierten Bäckers Jacob Kowalski (Dan Fogler). Kowalskii hat der modernen Massenproduktion geschmackloser Donuts den Rücken gekehrt und versucht mit selbst gemachten Gebäckstücken Geld zu verdienen. Doch als Scamanders Gepäckstück in seiner Wohnung aufplatzt und dessen magischer Inhalt die Flucht ergreift, ist Kowalski für die reale Welt verloren. Fortan hilft er, staunend wie ein Kind, dem Zauberzoologen und dessen resoluter Kollegin Porpentina Goldstein (Katherine Waterston), die entlaufenen Tiere wieder einzufangen. Die Zeit drängt, denn der Magische Kongress der USA, der versucht, das Leben von Hexen und Zauberern in geordneten und halbwegs unauffälligen Bahnen zu halten, beobachtet nicht nur das Chaos mit Sorge. Er hat ihn auch im Verdacht, mit einer geheimnisvollen dunklen Macht in Verbindung zu stehen, die in der Stadt ihr Unwesen treibt und bereits ein Attentat auf einen Spitzenpolitiker verübt hat...

Gegen die höchst rationalen Transformationskräfte der modernen Mustermetropole New York wird hier das Unzähmbare, Wilde der magischen Welt in Stellung gebracht und ist als Metapher für den Einbruch scheinbar wesensfremder Ideen in den amerikanischen Traum sowohl auf den Kommunismus der 50er-Jahren anwendbar als auch auf die religiösen Fundamentalismen der Gegenwart. Diese Dopplung von fast perfekter Fantasy-Action und historischer Reflexion entfaltet einen ungeheuren Reiz. Zwar gibt ein paar ästhetische Irritationen, aber am Ende muss konstatiert werden, dass aus dieser vorgeblichen Schulbuchverfilmung etwas Größeres zu werden scheint.

Rowling und Regisseur David Yates erwecken eine neue Welt ihres erzählerischen Universums zum Leben, in der fantastischer Eskapismus und gegenwartsrelevantes Drama nicht nur nebeneinander existieren, sondern sich auf sehr unterhaltsame Weise bedingen. Lange hat die Aussicht auf Teil zwei einen nicht mehr mit derart gespannter Erwartung erfüllt.

„Phantastische Tierwesen und wo ...“ GB/USA, 2016, 133 Minuten, ab 6 Jahren, Regie: David Yates, Darsteller: Eddie Redmayne, Katherine Waterston, Dan Fogler, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Savoy (OF), UCI Mundsburg/Othmarschen-Park/Wandsbek