Sie ist ein Gutmensch. Sie hat ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Deshalb möchte die ehemalige Schuldirektorin auch in der Flüchtlingskrise etwas tun. Sie bringt Altkleider ins Flüchtlingszentrum. Aber da winkt man ab, es gibt schon zu viele Spenden. Sie würde gern Deutschunterricht geben. Aber auch da winkt man ab. Es gibt schon zu viele pensionierte Lehrer, die sich dabei gegenseitig ausstechen. Bleibt nur noch eine Möglichkeit: Nimmt man eben einen Flüchtling auf.

Das ist die Grundkonstellation des Films „Willkommen bei den Hartmanns“. Regisseur Simon Verhoeven, sonst eher für Beziehungskomödien wie „Männerherzen“ bekannt, traut sich was. Indem er das Flüchtlingsthema als Komödie verarbeitet und dabei nach allen Seiten austeilt. „Frau Merkel hat die ganze Dritte Welt eingeladen. Wir machen das nicht“, postuliert der Gatte daheim – vergeblich. Die Suche nach dem richtigen Kandidaten gerät dann fast zu einer Castingshow. Deutschland sucht den Superflüchtling. Als schließlich ein Nigerianer in das Münchener Luxushaus einzieht, wird er zwar mit einem markanten Plakat empfangen, das dem Film den Titel gibt. Aber schon bald steht die Familie kopf.

Die Krisen der Hartmanns brechen auf

Dafür kann der Flüchtling nichts. Aber er fungiert als ein Katalysator. Denn bei den Hartmanns sind alle mit ihren eigenen Krisen beschäftigt, und die brechen direkt vor dem Neuzugang auf. Die Mutter (Senta Berger), die sich unnütz fühlt. Der Vater (Heiner Lauterbach), der Angst vorm Altern hat. Der Unternehmersohn (Florian David Fitz), der über seinen Geschäften fast das eigene Kind vergisst. Und die Tochter (Palina Rojinski), die mit 31 ihr Langzeitstudium schmeißen will. Eigentlich eine typisch deutsche Familie. Und doch eine, die so zerrissen ist wie die Republik. Wobei der Fremde (Eric Kabongo) zum Kitt wird, der die Familie erst zusammenhält, auch wenn das immer wieder sein Asylverfahren gefährdet.

Der traut sich wirklich was, der Verhoeven. Dass er den Vater stottern lässt, dass es ja auch schwarze Schafe unter den Flüchtlingen gebe. Dass der Flüchtling die Tochter fragt, warum sie noch keine Kinder hat, wo sie doch schon alt sei. Dass ihn alle wie ein Baby behandeln. Der Witz geht aber noch deutlich weiter. Wenn man auch im Flüchtlingsheim Rassismus ausmacht. Wenn plötzlich Rechtsradikale Mahnwache vor dem Haus halten. Und sich schließlich der Verfassungsschutz für den jungen Nigerianer interessiert und die Familie überwachen lässt, während man die Nazis vor der Tür übersieht.

Willkommen in der Integrationskomödie

Willkommen bei einem neuen Genre: der Integrationskomödie. In der Anspannung der Flüchtlingskrise bietet sich so die Chance, festgefahrene Positionen zu hinterfragen und Konflikte im Lachen aufzulösen. Das polarisiert. Und es wird nicht wenige geben, die meinen, so könne man mit dem Thema nicht umgehen.

Kann man aber natürlich doch. Erst recht, wenn man es so feinfühlig angeht wie Simon Verhoeven. „Willkommen bei den Hartmanns“ ist so etwas wie der Film zur Lage der Nation und kommt genau zur richtigen Zeit. Auch wenn Verhoeven zuweilen Angst hatte, von den realen Ereignissen überrollt zu werden. Er hatte das Drehbuch schon weitestgehend fertig, als die Kanzlerin ihr „Wir schaffen das“ propagierte, und hat die Dialoge bis zum Schluss aktualisiert. Klug hat er das Thema aber in eine Familienkomödie eingebettet, in der es auch noch um andere Dinge und ganz normale Generationenkonflikte geht. Dabei konnte Verhoeven auf eine veritable Filmfamilie zurückgreifen. Allen voran sein Vater Michael Verhoeven, der den Film mitproduzierte, und seine Mutter Senta Berger. Mit Florian David Fitz und Elyas M’Barek verfügte er gleich über zwei Frauenschwärme. Und dann gelingt ihm auch noch die Wiedervereinigung der alten „Männer“-Buddies Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht. Sie alle spielen mit Lust und auf den Punkt. Und bringen das Publikum zugleich zum Lachen und zum Nachdenken.

Nur eines muss sich der Film schon vorwerfen lassen, auch wenn dafür wohl die Marketingabteilung verantwortlich sein dürfte. Auf dem Filmplakat sieht man sechs Darsteller, genannt werden aber nur fünf Stars, nicht Eric Kabongo. Das Feingefühl des Films – hier vermisst man es. Willkommen im Film-Business.

„Willkommen bei den Hartmanns“ D 2016, 116 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Simon Verhoeven, Darsteller: Senta Berger, Elyas M’Barek, Heiner Lauterbach, täglich im Blankeneser, Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek