Über Babyzeit und die Jahre mit kleinen Kinder gibt es Dutzende Bücher: Elternzeit-Väter dokumentieren ihre Erfahrungen aus der Sandkiste, Mütter geben Stilltipps aus dem Wochenbett, Trotzphase und Kitakrankheiten sind fachkundig in Ratgebern festgehalten.

Aber was ist mit den Jahren danach? Wie fühlt sich das Elternsein an, wenn die Trennung kurz bevor steht? Gerade noch hat man das Kind mit einer Socke über der Hand zum Lachen gebracht, Schulbrote mit Paprikagesichtern verziert und stundenlang Schlaflieder am Bett gesungen – und plötzlich packt das Kind seine Sachen und will ausziehen.

Über diesen (natürlichen, aber dennoch meist unvorbereiteten) Trennungsschmerz hat die Hamburger Autorin und Medienjournalistin Silke Burmester („Die Kriegsreporterin“) ein sehr persönliches Buch geschrieben. „Mutterblues – Mein Kind wird erwachsen und was werde ich?“ (Kiepenheuer & Witsch) erzählt schonungslos ehrlich von dem Gefühl, sich aussortiert und nutzlos zu fühlen – und von der Schwierigkeit, für diesen Zustand die richtigen Worte zu finden. Schlaflose Nächte bei zahnenden Babys sind ein gängiges Smalltalkthema, Trauer über das allzu selbstständige Kind eher nicht.

Das „Monster Pubertät“ wird hier nicht nur augenzwinkernd betrachtet wie etwa in Jan Weilers Bestsellern über die „Pubertiere“. Burmester setzt sich (trotz ihrer durchweg lockeren Schreibe) ernsthaft mit der Frage auseinander, wie diese „Entwicklungslücke“ am Ende der Kümmerzeit bei Müttern ihrer Generation entstehen konnte. Die Autorin führt Interviews mit Teenagern, zitiert Tagebucheinträge und Gespräche mit anderen Müttern.

Am schönsten liest sich das Buch jedoch an den Stellen, an denen sie private Anekdoten aus dem letzten gemeinsamen Jahr mit ihrem 17 Jahre alten Sohn Ben zum Besten gibt: die Kämpfe ums nächtliche Nach-Hause-Kommen, der Versuch, gemeinsame Kinobesuche zu unternehmen, der verkorkste Abiball.

Die für ihre ironisch-bissigen Kommentare bekannte Autorin, die der deutschen Medienszene immer wieder die eigene Eitelkeit unter die Nase gerieben hat, scheut sich nicht, auch mal Tränen fließen zu lassen, etwa wenn der Sohn zur Abiturklausur loszieht (natürlich ohne sich den Prüfungsraum notiert zu haben) oder sie zufällig auf ein Lied der Newcomerband AnnenMayKantereit stößt, in dem die ewige Bindung ans Elternhaus besungen wird.

„Mutterblues“ ist ein Buch mitten aus dem Leben, das sich die Mühe macht, Gefühlsfeinheiten herauszuarbeiten und zu benennen. Tipps für das Eltern-Teenager-Verhältnis sind hier durchaus zu finden – aber sie stehen zwischen den Zeilen.

Lesung „Mutterblues“ – plus anschließendem Gespräch der Autorin Silke Burmester mit Journalistin Bascha Mika („Frankfurter Rundschau“) Mo 10.10., 20 Uhr, Nochtspeicher, Bernhard-Nocht-Str. 69 a, Karten an der Abendkasse zu 8 Euro