Männerfreundschaften werden gern fast mythisch überhöht – vorzugsweise von Männern. Mark Twain setzte mit seinen Tom-Sawyer- und Huckleberry-Finn-Erzählungen der Freundschaft zwischen Männern ein Denkmal. In ihren Briefen feierten sich Schiller und Goethe auch als Wahlverwandte. Und es ist nicht abseitig, wenn man auch Ernie und Bert aus der „Sesamstraße“ in die Ahnengalerie einander zugewandter Männer stellt.

Die lebenslange Freundschaft zwischen dem Maler-Genie Paul Cézanne und dem nicht minder talentierten Schriftsteller Émile Zola ist hierzulande nicht sonderlich bekannt. Dagegen tut der wunderbar stille, schöne Film „Meine Zeit mit Cézanne“ endlich etwas. Drehbuchautorin und Regisseurin Danièle Thompson („Der Hals der Giraffe“) ist es gelungen, auch die unschönen Aspekte dieser engen Beziehung in den Blick zu nehmen: Zu dieser Freundschaft gehörten nicht nur ein Gleichklang der Interessen und eine tief reichende Sympathie, sondern auch Missgunst und Eitelkeit.

Cézanne blieb die große Anerkennung zu Lebzeiten weitgehend verwehrt. Seine Bildsprache war zu avanciert, die Abstraktion seiner Gemälde zu fortgeschritten, um von den Zeitgenossen erfasst werden zu können. Sein Freund Zola hingegen lebte das Leben eines bourgeoisen Großschriftstellers.

Wer sich von klein auf kennt und dann in so unterschiedlichen Milieus landet, gerät schnell in Konflikte mit dem jeweils anderen. Und man merkt Guillaume Gallienne als Cézanne und Guillaume Canet als Zola an, wie es ihnen Freude macht, diese Konflikte auszubuchstabieren: Der aufbrausende, oft unversöhnliche Cézanne wirft seinem „copain“ Verrat am Kunstgedanken vor und die Kapitulation vor falschen Lebensprioritäten. Der getroffene Zola reagiert mit giftigen Skizzen des Malers in seinen Büchern, die dieser ihm wiederum zutiefst verübeln muss.

Aber dieser Film ist in seiner Bildgewalt noch etwas anderes: eine große Hommage an die Schönheit der Provence und die Bilder, die Cézanne daraus entstehen ließ. Beide verbrachten große Teile ihres Lebens in Aix-en-Provence.

„Sind es die sanft im Wind sich wiegenden Pinien, sind es die kahlen Schluchten, die übereinander getürmten Felsen oder die malerische Natur der Provence, die mich fesseln?“, schrieb Zola am 14. Juni 1858 an Cézanne. „Ich weiß es nicht doch sagt mir meine Dichtersehnsucht, dass ein schroffer Felsen besser ist als ein frisch getünchtes Haus, das Murmeln der Gewässer besser als der Lärm einer großen Stadt, die unberührte Landschaft besser als die gequälte oder zurechtgestutzte Natur. Sind es aber nicht vor allem die Freunde, die ich dort unten in der Nähe des Arc zurückgelassen habe, die mich ins Land der Bouillabaise und des Aioli locken? Gewiss ist es so.“

Der Briefwechsel zwischen den beiden Genies ist dieser Tage auch als lesenswertes Buch erschienen („Émile Zola – Paul Cézanne. Porträt einer Männerfreundschaft“). Die verwickelte, mal enge, schnell eskalierende Beziehung dieser beiden Männer lässt sich dort im Detail studieren. Für einen ersten Eindruck reicht der farbenprächtige Film.

„Meine Zeit mit Cézanne“ F 2016, 113 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Danièle Thompson, Darsteller: Guillaume Gallienne, Guillaume Canet, Alice Pol, Déborah François,, täglich im Holi, Passage und Zeise