Es gibt sie noch, Figuren mit übernatürlichen Kräften, die nicht aus einem Comic-Heft stammen. Fantasy, das ist eine gute Nachricht, gibt es auch noch jenseits der alles dominierenden „Super-, Bat- und Iron Man“-Verfilmungen. Tim Burton hat sie in Ransom Riggs Buchbestseller gefunden, die bei uns „Die Insel der besonderen Kinder“ heißt. Dort scheinen diese seltsamen Wesen, etwa ein unsichtbarer Junge, von dem nur die Kleidung zu sehen ist, oder ein Mädchen, das leichter als Luft ist und von Bleischuhen beschwert werden muss, erst mal der überbordenden Fantasie eines greisen Großvaters zu entsprungen zu sein, mit der dieser traumatische Holocaust-Erfahrungen verarbeitet haben soll.

Aber der 16-jährige Enkel Jacob (Asa Butterfield) muss dann erleben, wie sein Opa (Altstar Terrence Stamp) einen rätselhaften Tod stirbt. Jacob könnte schwören, dabei ein Monster gesehen zu haben. Deshalb kommt er auf die Psycho-Couch. Die Therapeutin meint, es könne nicht schaden, wenn der Junge ins ferne Europa reist, auf jene Insel, wo der Großvater einst ins Heim gekommen ist und diese sonderbaren Kinder gelebt haben sollen.

So macht der junge Jacob gleich eine doppelte Reise. Erst vom sonnigen Kalifornien ins regnerisch-trübe Wales, wo das Heim sich als längst verfallene Ruine erweist: ausgebombt in einem Septembertag im Kriegsjahr 1943. Dann trifft Jacob in einer Höhle plötzlich sonderbare Kinder, wie der Opa sie beschrieben hat. Und plötzlich befindet er sich im herbstwarmen September 1943, an jenem Tag, an dem die Bomben fallen. Das Heim ist ein intaktes Schloss, die Heimleiterin Miss Peregrine (Eva Green) hat eine Zeitschleife gefunden, mit der sie ihre Schäfchen auf ewig vor dem Untergang bewahren kann.

Es ist eine Vorlage, wie geschaffen für Tim Burton, diesen Fantasy-Magier, der wie kein zweiter im Kino düstere Geschichte mit kindlich-ironischem Witz erzählen kann. Ein ewiger Widerpart der klebrigen Disney-Familienschmonzette. Ein Mann, dessen fantastische Geschichten man nicht glauben mag und die sich doch als echt erweisen, das kennt man schon aus Burtons „Big Fish“. Eines der Kinder bastelt Monsterpuppen, ein anderes schneidet im Garten Hecken zu Kunstgebilden wie Johnny Depp in „Edward mit den Scherenhänden“. Der Titelheld Jacob hat große Augen, dunkle Haare und blasse Haut wie fast jeder Burton-Protagonist. Und die Heimleiterin ist eine wundersame Frauenfigur, wie sie Burton früher mit seiner Frau Helena Bonham-Carter besetzt hätte und jetzt mit seinem neuen Star Eva Green, die die Rolle schon in „Dark Shadows“ übernommen hat.

Buchautor Riggs (36) ist ein erklärter Burton-Fan. Er gibt zu, dass dessen Filme kreativen Einfluss auf seine Buchwelt
gehabt hätten. Nun ist es quasi ein gegenseitiges Geben und Nehmen, zum Wohle der Bücher- und Filmfreunde. „Die Insel“ ist der schönste Burton-Film seit Langem. Trotz 3-D-Optik vertraut er auf den guten alten Kintopp – ein Augenschmaus, aber garantiert nichts für Kinder.

„Die Insel der besonderen Kinder“ USA 2016, 126 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Tim Burton, Darsteller: Asa Butterfield, Eva Green, Samuel L. Jackson, Judi Dench, täglich im Blankeneser, Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Savoy (OF), UCI Mundsburg/Othmarschen/ Wandsbek