Ganz am Ende sagt Astrid Lorenz, gespielt von Julia Jentsch: „Ich weiß nicht, ob es richtig war oder falsch war. Wahrscheinlich beides.“ Dieser Film entlässt einen ratlos, ohne vorzugaukeln, dass es eine eindeutige Lösung gegeben hätte. Die gab es nicht. Es gibt nur Entscheidungen, die zu treffen sind – und mit denen man hinterher leben muss. „24 Wochen“ – der Titel des Films – ist der Zeitpunkt, an dem eine Spätabtreibung noch möglich ist. Allerdings nur bei schweren Missbildungen des Ungeborenen. Denn zu diesem Zeitpunkt sind die Babys schon ­lebensfähig.

Astrid Lorenz ist schwanger mit ihrem zweiten Kind, es soll ein Junge werden. Die Schwangerschaft ist gut sichtbar, sie betont sie regelrecht mit hautengen Kleidern, schließlich ist ihr Beruf ein öffentlicher – sie macht Stand-up-Comedy, tritt in Shows auf. Ihr Manager Markus Häger (gespielt von Bjarne Mädel) ist auch ihr Freund und der Vater ihrer Kinder. Neben dem Ungeborenen ist da noch die neunjährige Nele. Die Karriere läuft gut, gerade hat man sich auf Kredit ein Haus außerhalb von Leipzig gebaut. Eine Familie mit viel Humor und Leichtigkeit.

Als dann die Ärztin nach einer Routineuntersuchung dem Paar eröffnet, dass ihr ungeborener Junge an dem Down-Syndrom leidet, nimmt das Paar die Nachricht gefasst auf. Astrid spürt das Ungeborene strampeln, die Mutterliebe hat längst begonnen. Von Abtreibung ist nie die Rede. Man besucht einen Chor von Heranwachsenden mit Down-Syndrom, geht später mit allen feiern. Nur Tochter Nele hat große Ängste. Die Eltern dagegen sind zwar angespannt, aber im besten Sinne zuversichtlich. Doch dann ein weiterer Schicksalsschlag – beim Ungeborenen wird zusätzlich ein schwerer Herzfehler entdeckt. Klar ist, die ersten Wochen und Monate wird es auf der Intensivstation verbringen. Auch dann sind die Überlebenschancen nicht gut.

Es heißt ja gerne mal, dass ein Film an einem Tabu rührt. Dieser Film macht es tatsächlich – die Themen Behinderung, Abtreibung und Spätabtreibung sind fern von allem Mainstream. Und das, obwohl Feindiagnostik inzwischen zur Routine bei Schwangerschaften geworden ist. Mit Folgen. So ist in Dänemark die Zahl der mit Down-Syndrom geborenen Kinder in den vergangenen Jahren um 50 Prozent zurückgegangen, schreibt das „Ärzteblatt“. Der Grund dafür liegt natürlich in der ­häufigen Abtreibung dieser Kinder. Eine gesellschaftliche Diskussion dazu fehlt allerdings. Haben Kinder mit solcher Behinderung etwa kein Recht, zu leben? Gleichzeitig die Frage: Wie viel können sich Eltern aufbürden, wofür reicht die Kraft?

„24 Wochen“ wagt sich an das Thema heran. Und wem bei diesem Film nicht irgendwann die Tränen in den Augen stehen, der hat kein Herz. Man geht mit, man leidet mit, man hofft mit. Julia Jentsch schafft gerade die stillen Momente schauspielerisch zu tragen – sie ist zurückhaltend und intensiv. Weniger stimmig ist ihre Figur der Stand-up-Comedy-Frau. Klar, die Drehbuchidee dahinter ist erkennbar: Die Welt ist für sie ein Witz, bis das Schicksal zuschlägt. Trotzdem: Man nimmt ihr die Komödiantin schlicht nicht ab.

Ganz anders Bjarne Mädel, der eine echte Entdeckung ist. Sonst wirklich in der Comedy-Welt unterwegs, gelingt es ihm hier, sehr lebensnah die Verzweiflung eines Mannes darzustellen, der als Vater doch immer nur Zuschauer ist. Einfach, weil er das Kind nicht austrägt.

Und es sind echte Ärzte, die die Ärzte spielen. Auch das macht den Film so glaubwürdig. Denn sie sind Körpermechaniker, nicht ohne Empathie, aber am Ende doch Macher. Es ist die Frage, ob man ihnen Vertrauen will. Und wie hoch dann für alle der Preis ist.

„24 Wochen“ D 2016, 103 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Anne Zohra Berrached, Darsteller: Julia Jentsch, Bjarne Mädel, täglich im Abaton, Elbe, Passage, Zeise