Was für eine Aussicht. Ein einziger Leuchtturm steht auf der kleinen Insel. Und ein Haus für den Wärter. Aber welcher Ausblick, welches Panorama breitet sich vor ihm aus. Raue Felsen. Weite Strände. Gewaltige Lichtstimmungen. Und Wellen, die von zwei Seiten herantosen. Zwei Meere prallen hier aufeinander, Südpazifik und Indischer Ozean, und wühlen die Küste auf. Eine gigantische Naturkulisse.

In dieses Niemandsland verschlägt es in dem Filmdrama „The Light Between Oceans“ einen Soldaten, der in der Fremde den Ersten Weltkrieg erlebt hat, nun schwer traumatisiert nach Australien zurückkehrt und nur Ruhe haben will. Die Leute vom Festland wollen eigentlich nur einen Wärter mit Gattin verpflichten. Zu groß, befürchten sie, ist die Einsamkeit. Aber die Stille, die Abgeschiedenheit fern von allen Mitmenschen, das ist es ja gerade, was der Kriegsveteran Tom Sherbourne (Michael Fassbender) sucht.

Schließlich findet sich sogar eine Frau, die ihn auf die Insel begleitet. Die junge Isabel (Alicia Vikander) vom Festland gegenüber hat ihre Brüder im Krieg verloren, auch sie ist eine verwundete Seele. Vor allem aber ist sie zu modern, zu autark für das rückständige Kaff. Deshalb zieht es sie zu dem Fremden, drängt sie sich ihm förmlich auf. Und schafft es wirklich, den Verschlossenen zu öffnen.

Ganz lange führt einen dieser Film, wenn man M.L. Stedmans zugrundeliegenden Roman nicht kennt, auf eine falsche Fährte oder, um im Bild zu bleiben, hinters Licht. Aber das „Licht zwischen Meeren“ ist keine Schnulze à la Pilcher, die nur die Küste vom westenglischen Cornwall gegen die Westaustraliens eintauscht. Nicht umsonst heißt der fiktive Ort Janus Rock, nach dem zweigesichtigen Gott des Anfangs und des Endes.

Zum Glück in der selbstgewählten Isolation fehlt nur noch ein Kind. Das scheint dem Paar nicht vergönnt. Es muss zwei Frühgeburten verkraften. Doch just nach der zweiten – vielleicht der einzige Moment, in dem man das Romanhafte der Vorlage erkennt –, treibt eine Jolle an die Insel, mit einem toten Mann an Bord. Und einem lebenden Baby. Der Leuchtturmwärter will es sofort melden, das gehört ja zu seinen Pflichten. Seine Frau aber sieht das elternlose Kind als Geschenk des Himmels. Also wird der Leichnam begraben. Und das fremde Mädchen als eigene Tochter ausgegeben. Ist doch von Vorteil, wenn man so abgeschieden wohnt.

Fast schon logisch, dass es bei dieser Konstellation nicht bleiben wird. Schon im Vorspann wird ja noch ein dritter Star genannt, Rachel Weisz, eine Frau also. Man ahnt, was kommt. Schon bald hat sie ihren Auftritt. Als Witwe eines Deutschen, der erst vor seinem Land geflohen ist und dann vor dem wütenden Mob in Australien, der ihn auch nach dem Krieg noch als Gegner sieht. Noch eine verheerende Folge des Krieges. Da ahnt der Wärter die Zusammenhänge. Und es ist eine große Lust, mitanzusehen, wie der begnadete Schauspieler Michael Fassbender hier mit sich selbst und seinem Gewissen ringt. Und mit seiner Frau.

Regisseur Derek Cianfrance erzählt sein Melodram in epischen, satten Bildern. Ein Licht zwischen zwei Welten, wo stets von der einen Seite der Kitsch bedrohlich heranschwappt und dann vom großen Drama zurückgeworfen wird.

Früher hat man solche Liebesdramen in Hollywood etwas abfällig „Frauenfilme“ genannt, als Gegenstück zu den Cowboy- und Actionfilmen. Es gab auch eine noch uncharmantere Bezeichnung dafür, „Weepie“, was im Deutschen, als Heuler oder Schmachtfetzen, noch gemeiner klingt. Regisseur Cianfrance scheint fast damit zu spielen, versteht es aber, all die gefährlichen Strömungen zu umschiffen. Er hat schon zweimal eine zerbrechende Liebe analysiert, in „Blue Valentine“ mit Ryan Gosling, und Familienbande in „The Place Beyond The Pines“, wiederum mit Gosling. Beziehungsgeflechte auseinanderzunehmen scheint seine Lebensaufgabe. er verortet sie in unmittelbarer Nachkriegszeit. Keine Figur, die hier nicht irgendwie vom Krieg betroffen wäre.

Getragen wird das Drama von seinen charismatischen Schauspielern, allen voran Alicia Vikander, die seit gut zwei Jahren am laufenden Band für Überraschungen sorgt und fast sogar Michael Fassbender an die Wand drückt. Getragen wird das Drama aber auch von den grandiosen Landschaftsaufnahmen des Kameramannes Adam Arkapaw, die zum Spiegel der zerklüfteten Seelen werden – und zu einem eigenen Hauptdarsteller.

Das ist großes Schnupftuchkino, das zwar zu Herzen rührt. Bei dem man sich aber ob der rinnenden Tränen nicht schämen muss.

„The Light Between Oceans“ USA, Australien, Neuseeland 2016, 130 Minuten, ab 12 Jahren,
R: Derek Cianfrance, D: Michael Fassbender, Alicia Vikander, Rachel Weisz, täglich im Abaton (OmU), Koralle, Passage, Studio-Kino