Schon Hans Albers sang: „Wer noch niemals in lauschiger Nacht einen Reeperbahn-Bummel gemacht, ist ein armer Wicht, denn er kennt dich nicht, mein Sankt Pauli, Sankt Pauli bei Nacht.“ Das ist mehr als 60 Jahre her, die Zeiten haben sich geändert – auch gastronomisch. Was geht heute vor dem Besuch der „geilen Meile“? Und wo?

Ein neues Beispiel der sogenannten Erlebnisgastronomie auf St. Pauli ist das Relaunch, gleich hinter der Reeperbahn, gegenüber vom Imperial, dem Hamburger Krimitheater. An der Kleinen Seilerstraße liegt das Restaurant, in dem früher schon das Lokal Scheune war. Rustikal, in Teilen fast urig, ist die Einrichtung im Inneren, dabei durchaus einladend und individuell gestaltet.

Rechts vom Eingang lässt sich in einer gemütlichen Ecke auf einem der Sofas an Holztischen mit einer zum Deckenlicht umgestalteten Palette fast vergessen, wo man i(s)st: in einem Restaurant mit 400 Sitzplätzen, inklusive Terrasse und Lounge für Raucher. Die müssen hier mal nicht draußen bleiben respektive schmauchen, sondern können in Ruhe auf roten Sofas zur Seilerstraße hin ihrem Laster frönen.

Welche Getränke und Speisen mögen bei Gästen ankommen, bevor diese zum Feiern weiter auf den Kiez ziehen? Das haben sich Inhaber Kian Shafi und seine Frau Christina vor der Neueröffnung des Relaunchs auch gefragt. Die Antwort zeigt sich auf der Speisekarte in einem vielfältigen Angebot aus Croques, Burgern und Fleischgerichten bis zum Relaunch-Grillteller mit Hacksteak, Hähnchen und Hüftsteak sowie Pommes frites und Salatbeilage für 18,80 Euro.

Da der Hunger an diesem Sonnabendabend nicht ganz so groß ist, gilt es, nach einer Vorspeisenportion Tomate-Mozzarella (6,90 Euro) – klassisch-solide, bei den Tomaten indes etwas fad, weil nicht ganz reif – zumindest zwei der neun verschiedenen Burger zu testen. Die Soßen sind wie jene für die Croques selbst hergestellt. Das Fleisch des Hähnchenburgers (8,90 Euro) ist zart, saftig und gut gebraten, die Orangen-Senf-Soße und die Avocadocreme dazu munden, zusätzlich auf dem Teller liegen Sprossen.

Der kleine Beilagensalat, den es zu jedem Burger gibt, ist frisch und knackig sowie mit feinem Dressing angemacht, die dazugehörigen Pommes frites werden jeweils originell in einem Friteusenkorb serviert und bleiben so heiß und knusprig. Beim Mexican Chicken Burger (ebenfalls 8,90 Euro) mit mariniertem Hühnerfilet, hausgemachter Salsa, Guacamole und Salatherzen wäre etwas mehr Würze indes wünschens-, sogar empfehlenswert.

Apropos: Darauf, dass sich Burger-Freunde im Relaunch eine von drei Brötchensorten (weiches Brioche, herbes Foccacia mit Kräutern oder Sesam) aussuchen können, sollten die freundlichen Servicekräfte bei der Bestellung durchaus noch mal hinweisen: Nicht jeder Gast liest – zumal bei gedämpften Licht – die Karte bis zum Ende durch. Ansonsten umschließt nämlich automatisch das klassische Sesambrötchen den Burger.

An diesem Abend erweist sich speziell die männliche Servicekraft als recht unbeholfen – auch beim Ausloten, welche Geschmacksrichtungen denn die drei Sorten Störtebeker-Bier vom Fass hätten. Nun, die Erfahrung zeigt: Das hellere Kellerbier ist herb, das dunklere Baltiklager (0,3 l zu je 3,80 Euro) würzig-süffig. Serviert werden sie in Gläsern fast so krumm wie eine Banane, aus denen sich sogar eine (Heim-)Niederlage des FC St. Pauli schöntrinken lässt.

Die Sky-TV-Übertragung flimmerte – als Wiederholung und ohne Ton – über einen von mehreren Flachbildschirmen. Erste und Zweite Bundesliga gehören anno 2016 eben auch zur Erlebnisgastronomie. Dito Cocktails, Kaffee oder ein ausgedehntes, individuell zusammenstellbares Frühstück am Wochenende.

So haben Kiezgänger, Touristen inklusive, nach einem Reeperbahn-Bummel, der womöglich erst nachts um halb eins beginnt, auch am nächsten Morgen noch ein wiederkehrendes Ziel.

Relaunch

Kleine Seilerstraße 1, montags bis mittwochs 16 Uhr bis open end, donnerstags und freitags 12 Uhr bis open end, sonnabends und sonntags 9 bis open end, T. 24 87 44 43