Ein Liebesleben nach den Regeln des Korans, das stellt man sich hierzulande allzu häufig als einen Widerspruch in sich vor. Bestimmen doch unweigerlich die Themen Kopftuch, Zwangsheirat und Vielehe die Diskussion, sobald vom Islam und Mann-Frau-Beziehungen die Rede ist. Eine Liebeskomödie aus dem Libanon kommt da gerade recht, um mit Vorurteilen aufzuräumen: Ja, auch Muslime haben romantische Gefühle, manchmal sogar ziemlich intensive.

Bestes Beispiel: Batoul (Zeinab Hind Khadra) und Mokhtar (Hussein Mokadem). Seit Kurzem verheiratet, sind ihre Gefühle füreinander noch so hitzig, dass sie sich leicht entzünden. In trotzigen Rückzugsgefechten bei ihr, in Eifersuchtsanfällen bei leisestem Verdacht bei ihm, Mohktar. Erst diskutieren sie in zärtlicher Umarmung, wie viele Kinder sie haben wollen, als nächstes stehen sie brüllend im Flur, von Nachbarn umringt.

Damit Mokhtar Batoul erneut ehelichen kann, muss sie einen anderen heiraten

Es ist ein Spektakel, für das einer der älteren Bewohner sich extra einen Stuhl hinstellt, während andere versuchen, die Eskalation zu verhindern. Ohne Erfolg: „Du willst die Scheidung? Also bitte: Ich verstoße dich!“, schreit Mokhtar. Der Satz hat nach dem Koran Gültigkeit und bleibt nicht ohne Konsequenzen. Zwar sind die jungen Liebenden am nächsten Tag wieder versöhnt, aber nachdem sich das Ganze dreimal wiederholt, gibt es kein Zurück mehr. Damit Mokhtar seine über alles geliebte Batoul noch einmal ehelichen kann, so erklärt der zuständige Geistliche, muss Batoul erst mal einen anderen heiraten – mit allen Konsequenzen.

Auch die anderen Geschichten, die Regisseur Assad Fouladkar in seinem Film „Liebe Halal“ locker ineinander verwebt, laufen auf eine überraschende Wendung hinaus. Zuerst gibt es da die Mädchenklasse, die von einer mutigen Lehrerin aufgeklärt wird, woher die Babys kommen. Ihre blumige Formulierung von „kriechenden Würmern“ löst bei der kleinen Nasma eine ganze Kette recht eigentümliche Reaktionen aus. Ihre Eltern Awatef (Mirna Moukarzel) und Salim (Ali Sammoury) bemerken nichts, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind.

Awatef nämlich wächst der Haushalt samt ehelichen Pflichten über den Kopf. Weshalb sie ihren Mann überreden will, eine Zweitfrau zu ehelichen, die sie entlasten könnte. Weil der sich weigert, übernimmt Awatef selbst die Suche und wird in Bardot (Fadia Abi Chahine) fündig. So ist sie es, die beim erfolgreichen „Probelauf“ seufzt: „Wie wunderbar es ist, eine Frau zu haben!“ Sowohl die Töchter als auch der Ehemann erwärmen sich schließlich für das Projekt Zweitfrau – eine Konsequenz, die Awatef dann doch nicht so willkommen ist.

Melancholisch endet die vierte der Geschichten: Die selbstbewusste Loubna (Darine Hamze) hat sich nach 15 Jahren Ehe mit einem von der Mutter ausgesuchten Mann endlich scheiden lassen. Nun probt sie in der vom Koran zugelassenen „Ehe auf Zeit“ das Zusammenleben mit dem Gemüseverkäufer Abou Ahmad (Rodrigue Sleiman), in den sie seit Jahren verliebt ist. Nicht nur hält Ahmad selbst an seiner Ehe fest, er vergleicht auch Loubnas Kochkünste beständig mit denen seiner Frau. Und das ist nicht das Einzige, was Loubna an Ahmad zu stören beginnt.

Wer nun denkt, „Liebe Halal“ wolle mit seinen raffiniert geschriebenen Geschichten auf eine Entblößung widersprüchlicher religiöser Regeln hinaus, liegt falsch. Tatsächlich geht es im Film gar nicht um Glaubensfragen, vielmehr zeigt sich, dass das aus dem Koran abgeleitete Regelwerk in Fragen der Liebe genauso wenig Antworten weiß wie das bürgerliche Standesamt.

Wenn sich eine Lehre aus ­„Liebe Halal“ ziehen lässt, dann die, dass manchmal gerade pa­radox anmutende Vorschriften zur Klärung von widersprüchlichen Gefühlen beitragen können.

„Liebe Halal“ Libanon/Deutschland 20015, 95 Minuten, ab 6 Jahren, Regie: Assad Fouladkar, Darsteller: Darine Hamze, Rodrigue Sleiman, Zeinab Hind Khadara, täglich im Koralle, Passage